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Digitaler Protest zensiert

Die Betreiber der italienischen Internetseite www.netstrike.it organisieren seit sechs Jahren „virtuelle Sit-ins“. Nach einer Aktion beim G-8-Gipfel in Genua griff nun die Justiz ein und sperrte die Website

von PETER NOWAK

Genua kommt nicht zur Ruhe: Mehr als drei Wochen nach den von zahlreichen Festnahmen begleiteten Protesten gegen den G-8-Gipfel nimmt die italienische Justiz jetzt auch kritische Internetseiten ins Visier. So wurde am vergangenen Montag die Internetseite www.netstrike.it von der Staatsanwaltschaft in Bologna auf der Grundlage eines Rechtshilfeersuchens der Genueser Ermittlungsbehörden beschlagnahmt und daraufhin von dem zuständigen Provider aus dem Netz genommen.

Die italienische Justiz bezieht sich mit ihrer Maßnahme auf ein Gesetz, das das bewusste Unterbrechen, Beschädigen oder Zerstören von Computersystemen in Italien mit einer Gefängnisstrafe von drei bis acht Jahren ahndet. Den Netstrike-Machern wird vorgeworfen, die offizielle G-8-Seite während des Wirtschaftsgipfelsmit Protestmails bombardiert zu haben. Und zwar unmittelbar nachdem am 20. Juli bekannt wurde, dass ein Polizist den Demonstranten Carlo Giuliani erschossen hatte. Sofort war es zu diesem spontanen „virtuellen Sit-in“ auf der Internetseite des Gipfels gekommen. Dadurch war der Zugriff in den folgenden Tagen beträchtlich erschwert.

Die Justiz wirft den Netstrike-Verantwortlichen damit etwas vor, was sie seit der Begründung ihrer Seite ganz offen praktiziert haben und wozu sie sich auch jetzt eindeutig bekennen: „1995 entdeckten wir eine neue Form des Protests im Netz: Netzstreik! Auch wenn der Name etwas irreführend ist, handelt es sich mehr um eine Umsetzung eines friedlichen Sit-in auf das Netz“ – lautet es in der jüngsten Presseerklärung der Netstrike-MacherInnen zum juristischen Vorgehen gegen die Seite. Die Netstriker vergleichen ihre virtuelle Protestmethode mit einem Aufmarsch, bei dem „eine bestimmte Anzahl Menschen mit Transparenten und Plakaten den Fußgängerüberweg benützen, und wenn die Anzahl wirklich ausreichend ist, gelingt es auch, den Verkehr für eine bestimmte Zeit aufzuhalten.“

Die Gründung von Netstrike 1995 fiel zusammen mit den weltweiten Protesten gegen die französischen Atombombentests auf dem Mururoa-Atoll. Damals organisierten die Internetdemonstranten eine derart hohe Besucherfrequenz auf den Webseiten der französischen Regierung, dass diese zeitweise nicht mehr aufgerufen werden konnten. Seitdem hat Netstrike unterschiedliche politische Kampagnen durch symbolische Protestaktionen im World Wide Web begleitet. Doch während ihre Aktionen zunächst nur von einer kleinen Gruppe im Internet surfender Politaktivisten wahrgenommen wurden, haben die virtuellen Sit-ins seit den Protesten gegen den Weltwirtschaftsgipfel im US-amerikanischen Seattle international an Bedeutung gewonnen.

So haben am 20. Juni 2001 antirassistische Gruppen unter dem Motto „Den Kranich zum Absturz bringen“ die Internetseite der Lufthansa AG virtuell besetzt, um so gegen die Beteiligung des Unternehmens an Abschiebungen von Flüchtlingen zu protestieren. Bisher haben diese Aktivitäten außer Drohungen im Vorfeld keinerlei juristische Konsequenzen nach sich gezogen. „Trotz fleißiger Beobachtung der so genannten Ordnungskräfte hat kein Richter daran gedacht, jemanden wegen dieser Praxis des Kampfes zu beschuldigen, die doch nur ausschließlich symbolischen und demonstrativen Charakter hat“, wundern sich die Netstrike-Verantwortlichen in ihrer Presseerklärung.

Beobachter sehen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als weiteres Indiz für ein repressiveres innenpolitisches Klima unter der Rechtsregierung von Berlusconi in Italien. Netstrike jedoch kennt die Tricks des Netzes: Wenige Stunden nach der Beschlagnahme war die Seite über andere Provider wieder im Netz. „Non ci farete tacere mai“ – ihr werdet uns nie zum Schweigen bringen heißt es in einem trotzigen Aufruf an die Regierung.

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