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Ein Zerrbild namens „Kölner Bronx“

Köln-Porz: Die NRW-Landesregierung plant hier eine forensische Klinik, die Stadt will außerdem 600 Flüchtlinge kasernieren. Zur Protestdemo riefen neben Lokalgrößen von SPD und FDP auch Rechte auf – und haben trotz fragwürdiger Parolen Erfolg

aus Köln PASCAL BEUCKER

Die Mitteilung kam per Fax und mit dem Vermerk „Eilt“: Die für Samstag nächster Woche geplante „Großdemonstration“ gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in einer ehemaligen belgischen Kaserne im Kölner Stadtteil Porz wird nicht stattfinden. Eine Absage sei „zwingend erforderlich“, teilte Demo-Anmelder Hans Burgwinkel am Donnerstagabend mit. Schließlich distanziere er sich „von rechten und linken Radikalen jeder Art“.

Es hätte aber auch wirklich unangenehm werden können für den Vorsitzenden der „Kritiker und Gegner der forensischen Klinik Köln-Porz-Westhoven“, kurz „Bürger-KaFOR Köln“. Immerhin wollten neben „honorigen“ Aufrufern wie der CDU-Bundestagsabgeordneten Ursula Heinen, dem Porzer Bezirksvorsteher Horst Krämer und diversen Lokalpolitikern von CDU, FDP und SPD auch Leute marschieren, mit denen es nicht schicklich ist, gemeinsam auf einem Foto zu posieren. Seit Anfang dieser Woche riefen auch die rechtsextreme „Bürgerbewegung pro Köln“, der neonazistische „Siegener Bärensturm“ und der „Nationale Widerstand Sauerland/Siegerland“ zu der Antiflüchtlingsdemonstration auf.

„Das wird ein Heimspiel werden“, jubilierte bereits die „pro Köln“-Vorsitzende Judith Wolter. Wenig verwunderlich, mussten sich die Rechten doch von den Demo-Organisatoren geradezu eingeladen fühlen: Porz dürfe nicht zur „Kölner Bronx“ werden, hatten diese in den vergangenen Wochen stets verkündet.

Nachdem die NRW-Landesregierung in dem Stadtteil bereits eine forensische Klinik ansiedeln will, stelle die Unterbringung von 600 Flüchtlingen vorwiegend aus Exjugoslawien – viele von ihnen Roma – eine „unzumutbare zusätzliche Belastung“ dar. Längst sei „die Integrationsfähigkeit der betroffenen Bevölkerung bereits vollkommen ausgeschöpft“, so „Bürger-KaFOR“-Sprecher Burgwinkel. Markige Töne kamen auch vom FDP-Bezirksvertreter und Mitorganisator Björn Dietzel: „Porz ist nicht die Kölner Müllkippe.“

Auch wenn sie ihre Demonstration absagen musste, gewonnen hat die „Bürger-KaFOR“ kurioserweise trotzdem. Denn die Stadtverwaltung ist jetzt vor dem geballten Volkszorn eingeknickt: Sie sucht fieberhaft nach einem neuen Standort jenseits von Porz.

An ihrem grundsätzlichen Plan der Kasernierung will die schwarz-gelbe Ratsmehrheit indes festhalten – wegen der erhofften abschreckenden Wirkung auf Flüchtlinge. Und weil dagegen größerer Protest nicht zu erwarten ist.

Rund 3.700 „unerlaubt eingereiste Personen“, Flüchtlinge also, deren ausländerrechtlicher Status nicht geklärt ist, leben zur Zeit in Köln. Zu viele, nach Ansicht von CDU und FDP. Es gebe gerade von Roma-Familien „eine gezielte Zuwanderung, um sich in Köln kriminell zu betätigen“, heißt es aus dem Rathaus. Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden.

Scharfe Worte kommen vom Rom e.V., dem „Verein für die Verständigung von Rom und Nicht-Rom“. Vorstandsmitglied Doris Schmitz befürchtet ein „Riesenghetto“ und „eine Bestrafung der Menschen, die sich seit Jahren um eine Integration in die Gesellschaft Kölns bemühen“. Sie fühlt sich „an die Apartheidpolitik“ erinnert. Ein Vorwurf, den CDU-Ratsherr Klipper nur schwer nachvollziehen kann: „Der Integrationswille der Flüchtlinge ist ohnehin nicht sehr hoch.“

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