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Senats-Gutachter verpatzten Denkpause

■ BAW-Institut legte jetzt das Gutachten erneut vor, für das es schon im Februar heftige Schelte gegeben hatte / Stadion-Ausbau ist für Banken zu risikoreich, wenn der Staat nicht dafür bürgt

Am Samstag beim 1:3-Spiel gegen die „Löwen“ von München 1860 war das Weserstadion mit knapp 26.000 Zuschauern eher schlecht als recht besetzt. „Saisonstart endgültig verpatzt“ war der einhellige Kommentar, das ist keine gute Werbung für die nächsten Spiele. Und was fast noch schlimmer ist: Keine Werbung auf den grünen Trikots der Werderaner, kein Sponsor hat sich gefunden, nachdem QSC im Frühjahr ausgestiegen war.

So etwas kann passieren im Sport, die Norddeutsche Landesbank hatte sich aus genau diesem Grund in einer Expertise sehr skeptisch zur Investition in Fußball-Stadien geäußert: „Während die Kosten relativ sicher einzuschätzen sind, überwiegen bei den Einnahmepotentialen die Unsicherheiten und Risiken“. Dies stelle „ein Hemmnis für eine private Beteiligung am Eigenkapital der Besitzgesellschaft von Stadien dar“.

Die Bremer Experten vom senatseigenen Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung (BAW) sind von solchen Betrachtungen aus Banken-Kreisen nicht zu beeindrucken. Unverdrossen veröffentlichte das BAW in der vergangenen Woche eine Studie zum Ausbau des Weser-Stadions, mit der es schon bei der ersten Präsentation im Februar mehr Kopfschütteln als Zustimmung erfahren hatte. Da die Rentabilität einer Investition ins Stadion schwer nachweisbar ist, hatten Wissenschaftler des BAW zwei Taschenspielertricks verwendet: Sie haben zusammengestellt, wie viel Geld durchschnittlich in andere Stadien gesteckt wird und dabei auch Neubauten einbezogen („Benchmarking“) und haben dann die Summe durch die Zahl der Fälle geteilt. Fazit: Bremen läge im Durchschnitt, wenn es 165 Millionen Mark investiert würde. „Fahrlässig und falsch“ sei diese Methode der Politik-Beratung, schulmeisterte Jens Eckhoff, der CDU-Fraktionsvorsitzende, in der Bürgerschaft. „Skandal“ nannte es Jürgen Pohlmann (SPD) und fragte sich, welche Substanz frühere Gutachten gehabt haben: „Wie lange sollen wir uns in wichtigen Fragen von diesem Institut begleiten lassen?“ Der Senat solle die 80.000 Mark Honorar für das Gutachten einsparen, forderte der Grüne Matthias Güldner, und riet dazu, dem von Ex-Staatsrat Frank Haller geleiteten Institut eine „Denkpause“ zu gönnen, die „nicht zu knapp bemessen werden darf.“

Nach dieser Diskussion im Februar 2001 ist die Veröffentlichung des praktisch unveränderten Gutachtens in den „Monatsberichten“ des staatlich finanzierten Instituts schon dreist. Auch der zweite Trick, den die BAW-Forscher für die Begründung einer 165-Millionen-Mark-Investition nutzten und den sie ohne Abstriche wiederholen, stützt sich auf den Taschenrechner: Das Institut addiert die Minuten, in denen Werder-Spiele im Fernsehen oder Hörfunk übertragen werden und rechnet aus, was es kosten würde, wenn Bremen diese Zeit als „Werbeminuten“ bezahlen würde. Für die Internet-Präsentation von „www.werder-online.de“ schlagen sie noch locker eine Million Mark drauf – und kommen auf einen „Gegenwert der Medienpräsenz des SVW für den Standort Bremen“ von 93 Millionen Mark pro Jahr.

Der Senat hatte in seiner Begründung für den Beschluss vom Mai, das Stadion wegen des hohen Zuschauerandranges für 26 Millionen Mark um 10.000 Plätze zu erweitern, diese Zahlenspiele in seiner Rentabilitätsrechnung nicht ernst genommen. Wohl aber die Feststellung des BAW, jeder Arbeitsplatz schlage mit 11.353 Mark Steuereinnahmen im Jahr zu Buche, durch 347 direkt und indirekt Werder zuzurechnende Arbeitsplätze kämen also vier Millionen Mark Steuereinnahmen zustande und dem würde eine jährliche Belastung durch die Investition von rund zwei Millionen Mark gegenüber stehen.

Als „Rentabilitätsbetrachtung“ einer Investition kann man solche Betrachtungen in keinem Fall ansehen. Nicht einmal der Kollege Finanzsenator nimmt die vom BAW-Institut des Wirtschaftssenators gefundene Zahl von 11.353 Mark Steuereinnahmen pro Einwohner ernst. Denn erstens sind dies Einnahmen „vor Länderfinanzausgleich“. Nur ein gutes Drittel davon fließt real in die Landeskasse, wenn Bremen einen zusätzlichen Arbeitsplatz und dadurch auch statistische 1,4 Einwohner gewinnt. Vor allem aber stellt der Finanzsenator die zusätzlichen Einnahmen den zusätzlichen Kosten gegenüber, die der Stadt entstehen. Diese Kostenseite wurde in dem BAW-Rentabilitäts-Gutachten ganz vergessen.

Dem Senat hatte das Gutachten im Mai dennoch Stoff genug geliefert, um auf zehn Seiten die Ausgabe von 26 Millionen Mark fürs Weser-Stadion zu begründen. Dagegen hatte das Gutachten der Nord-LB schon festgestellt, dass die Kommunen insgesamt die „laufenden Kosten“ eines Stadion-Betriebes aufgrund ihrer Haushaltsführung gar nicht beziffern können. „Die Beteiligung einer Kommune am Stadionbau basiert nicht auf ökonomischen Überlegungen, sondern ist emotional begründet“, schreiben die Banker zusammenfassend. Für die Banken ist das eher eine Chance: Die Staatskasse übernimmt das Risiko bei „emotional begründeten“ Geschäften, und hält sich für die Begleitmusik noch teure Gutachter. Klaus Wolschner

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