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kabolzschüsseAuf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Schleppjagd

Wenn der englische Adel vom Ekel gepackt wird, dann bemüht er ein Kürzel, das seinen tiefen Abscheu ausdrückt: NQOCD. Es steht für „not quite our class, dear“. Auf Fuchsjagden betoniert der blaublütige Insulaner seine elitäre Stellung. Besonders beliebt ist die Hatz beim Duke of Beaufort. Prinz Charles hetzt in Highgrove dem Fuchs nach. Das Gut liegt im Beaufort-Land, wo Reiter und Hundemeute nach Herzenslust Meister Reineke auf den Pelz rücken dürfen.

Gottlob, sagen die Fuchsschlächter. Eine Katastrophe, meinen die „Liga gegen grausamen Sport“ und das „Jagdvergeltungskommando“. Auch die Mehrheit in Britannien spricht sich gegen die Hetzjagd aus, an deren Ende der Fuchs zerrissen wird und sich Jagdneulinge nach dem „Kill“ Blut vom Opfertier an die Wange schmieren, zwecks Initiation. Die Rächer der Fähen (Fuchsweibchen) machten sich deshalb einmal am Grab eines besonders jagdversessenen Dukes zu schaffen, wollten die Leiche köpfen und das verweste Haupt den Nachkommen als Trophäe zuschicken. Das Vorhaben scheiterte, weil der Stiel des Spatens brach.

Hierzulande ist die Hatz auf Tiere seit 1934 verboten, also behilft man sich mit einer Variante, die „klassischen Jagdreitern wie Onanie erscheint“, wie der Stern bemerkte. Mit Tierschützern gibt es daher keine Probleme, sagt Bernd Schiel vom Gestüt am Piechersee in der Nähe Berlins. Er erklärt, warum seine Sportart für Pazifismus im Unterholz steht. „Es macht tropf, tropf, tropf“, sagt er. „Acht Tropfen auf einen Liter“, und fertig ist das Fuchsimitat beziehungsweise der Lockduft, der die Beagles oder Foxhounds lospreschen lässt.

Die Brandenburger Beagle-Meute, so heißt das Kläffkommando, wurde aus dem Schwarzwald importiert, wo sie bislang als „Black-Forest-Meute“ Eukalyptusduft schnüffelte, als sei es geiles Sekret aus der Ranzzeit Charlies, wie der Fuchs auf der Insel heißt. Andernorts wird Heringslake verkleckert, die noch besser in die Nebenhöhlen schießt.

Bernd Schiel bittet um Genauigkeit. „Nicht dass der Verdacht aufkommt, die Schleppjagd wäre eine elitäre Sache.“ Keineswegs handle es sich um Nepper, Schlepper, Tierefänger, ganz im Gegenteil, diese in Deutschland praktizierte Variante sei zutiefst demokratisch, habe sich von der blutrünstigen in England völlig gelöst. Bezahlbar für jeden, wirbt Schiel. Mit 60 Mark ist man bei einer Jagd dabei. 250 kostet der Jahresbeitrag im Verein. Und wer kein Pferd besitzt, was mitunter vorkommen soll, der kann sich ein Ross für 150 Mark am Tag ausleihen. Klassen und Schichten mischten sich bunt, sagt Schiel. Der Polizeirittmeister trifft auf Rechtsanwalt und Arzt, der Student prostet dem Juristen zu.

Seit 1991 veranstaltet der Brandenburger Hunting-Club Schleppjagden, 15-mal im Jahr. Auch der Bundestag macht seit Herbst letzen Jahres munter mit. Auf Einladung der „Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag“ kam es in Neustadt an der Dosse zum Halali-Hallo von diversen Botschaftern und Politikern. „Alles rein sportlich“, verkündete der Veranstalter vorsorglich. Kein Tier werde „erschreckt, gequält oder gar getötet“. Indigniert reagierte dagegen der philippinische Botschafter José Zaide jr., weil er in einen Landauer klettern musste, in dem sich bereits das gemeine Volk breit gemacht hatte. Not quite his class.

Während es in der Fuchsjagd buchstäblich über Stock und Stein geht, denn der Fuchs bestimmt den Weg, so wird die Schleppe auf zuvor bestimmte Fluren gelegt. Darauf montiert man ein paar Hindernisse, die den Engländern Häme abnötigen. Strohballen, 80 cm hoch, und dergleichen. Dadurch passiert wenig. Allzu Ungeübte fallen allenfalls vom Pferd.

Eine Schleppjagd beginnt mittags. Abschnitte von etwa 1,5 Kilometer Länge werden galoppiert. Die so genannte Equipage reitet mit der Meute und versucht, sie beisammenzuhalten. Abschnitt für Abschnitt werden beritten, an die 20 Kilometer kommen so zusammen. In der Halbzeit wird ein Umtrunk gereicht. Die Equipage kümmert sich nach der Jagd um die Tiere, trainiert sie täglich und formt die Wauwaus zu braven Domestiken.

„Die Schleppjagd ist hervorragend geeignet für Reiter, die keine Ambitionen als Springreiter haben, aber dennoch Sport treiben wollen“, sagt Schiel. Pferde sind dann geeignet, wenn sie, so heißt es in der Branche, „einen Kopf wie eine Lady haben und einen Hintern wie ein Koch“. So manche Marchioness könnte dies falsch verstehen, den Sprüche klopfenden Parvenü jedoch standesgemäß abbürsten: Not quite our class, dear. MARKUS VÖLKER

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