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Gefangene dürstet’s nach Reformen

Der Hungerstreik in der Justizvollzugsanstalt Tegel weitet sich aus. Seit dem Wochenende verweigern neun Häftlinge nun auch jegliche Flüssigkeitsaufnahme. Der Senat hatte vorläufig keinerlei Änderungen in Aussicht gestellt

Die Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Tegel sitzen seit Freitagabend auf dem Trockenen. Nachdem Gespräche mit der Senatsjustizverwaltung in der Teilanstalt II, in der seit dem 1. August nach Angaben der Insassen mehr als 50 Gefangene hungern, ohne konkrete Zusagen beendet wurden, sind neun Gefangene zusätzlich in einen Durststreik getreten. Dies könnte bereits nach wenigen Tagen schon zu einer Eskalation der Situation führen. Laut Auskunft der Gesamtinsassenvertretung der JVA Tegel sollen am Freitag schon zwei der am Hungerstreik teilnehmenden Häftlinge ins Haftkrankenhaus verlegt worden sein. Justizsenator Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Grüne) rief die Gefangenen unterdessen dazu auf, den Streik abzubrechen und sich kooperativ zu zeigen.

In den Gesprächen mit dem Senats-Fachaufsichtreferenten für Strafvollzug hatten fünf Vertreter der Hungerstreikenden zunächst vor allem eine Lockerung des so genannten Langen Riegels am Donnerstag gefordert. Derzeit sind die Gefangenen an diesem Wochentag bis zu 19 [1]/2 Stunden in ihren Zellen eingeschlossen. Letzten Donnerstag wurden die langen Einschlusszeiten dann tatsächlich auch ausgesetzt. Die Häftlinge bekamen „hitzefrei“ wegen der heißen sommerlichen Temperaturen, und auch die Duschzeiten wurden gelockert. Seit dem Temperaturrückgang gelten jedoch die ursprünglichen Regeln.

Den protestierenden Gefangenen ist ohnehin an grundsätzlichen Reformen gelegen. Ein großer Schritt wäre getan, wenn allein das geltene Strafvollzugsgesetz tatsächlich auch Gültigkeit in der JVA Tegel hätte. Ein Inhaftierter der Teilanstalt III, in der der Hungerstreik ausgebrochen war, musste sich des Öfteren anhören, wenn er auf seinem Recht bestand, dass seine Briefe von Justizbeamten nur in seiner Gegenwart geöffnet werden dürfen: „Sie sind hier in Haus III und hier gelten keine Gesetze, nur die, die wir machen.“

Es sind die kleinen Schikanen, die den Gefangenen den Alltag zur Last machen. Vollzugspläne, die nicht eingehalten oder gar nicht erst geschrieben werden. Oder dass jetzt im Zuge der Streikaktionen seitens der Vollzugsbeamten mit Fernsehverbot und Arbeitsplatzverlust gedroht wird. Willkür statt Entgegenkommen und Gesprächsbereitschaft, scheint die Devise zu sein. Nach einem Solidaritätsschreiben der Gefangenen aus Haus V mit den Hungernden in Haus II wurden im Haus V Zellen durchsucht. Dabei kam es auch zu zwei Leibesvisitationen, was am Sonnabend ein Häftling mit den Worten kommentierte: „Das Schreiben war für den Arsch.“

PETRA WELZEL

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