: Phantasie für Plakate und Prozente
SPD präsentiert Bürgermeister, CDU fordert mehr Einwohner ■ Von Sven-Michael Veit
Der Herausforderer hätte es über sich sagen können, aber der Titelverteidiger war schneller: „Gute Politik hat Zukunft“, behauptet SPD-Bürgermeister Ortwin Runde auf einem von fünf Großplakaten, mit denen die Sozialdemokraten am Freitag die heiße Wahlkampfphase eröffnen wollen. Ole von Beust, Möchtegern-Bürgermeister der CDU, müht sich derweil zu begründen, „warum Hamburg wieder wachsen muss, um eine Zukunft zu haben“.
Bis zur Wahl am 23. September wird die SPD „eine Bürgermeisterkampagne“ fahren, erläuterte ges-tern Parteichef und Innensenator Olaf Scholz. Mit der „Verbindung zwischen der Person des Bürgermeisters Ortwin Runde und politischen Inhalten“ solle der Wahlsieg doch noch gesichert werden.
An die 10.000 Plakate, auf denen Runde abwechselnd „Arbeitsplätze“, „Bildung“ oder „Stabilität“ verspricht, sollen die „ganz massive Präsenz des Bürgermeisters“ unter die WählerInnen bringen. Und der SPD aus der Depression helfen, in der neueste Wahlumfragen sie wähnen: Demoskopen sehen derzeit die Sozialdemokraten nur bei 35 Prozent, einen Vorsprung von Beusts vor Runde und des Bürgerblocks aus CDU, FDP und Schill vor Rot-Grün.
Das zu ändern, muss jetzt – logischerweise – der Regierungschef die Köpfe und Herzen der Wahlberechtigten zu erreichen versuchen. „Meine gute Politik der vergangenen vier Jahre und meine klaren Ziele für die nächsten vier Jahre“, sagt dieser, „werden für die Prozente sorgen, die uns jetzt noch fehlen“, sagt er erwartungsgemäß und fügt hinzu, dass die SPD das sicherste Verhütungsmittel gegen Schill sei, dieses „Verderbnis für Hamburg“, dass er für Rot-Grün stehe, aber nach der Wahl sich auch „andere“ Koalitionsfragen stellen könnten, ohne dass er das Wort „Ampel“ in den Mund zu nehmen gedenkt, dass sein Herausforderer, der Herr von Beust, nur in einem konsequent sei: im Schlingerkurs.
Was dieser nur eine Stunde später – wen will das wundern – genau andersherum sieht. Die SPD habe in ihrer jahrzehntelangen Herrschaft „durch falsche Weichenstellungen und kurzsichtiges Denken“ die Entwicklungschancen der „Weltstadt Hamburg“ gefährdet, behaupten von Beust und sein wirtschaftspolitischer Berater Wolfgang Peiner. Und präsentieren zehn Punkte, die das ändern sollen.
Eine schönere und sozialere Hafencity, als der Senat sie plane, eine „phantasievolle Architektur“ für Domplatz und Heiligengeistfeld, für Hafenstraße und Flora, eine strategische Kooperation mit Berlin und den benachbarten Bundesländern, einen Großflughafen in Kaltenkirchen, mehr Industrie, mehr Gewerbe und überhaupt mehr HamburgerInnen: „Das Ziel muss lauten: Zwei Millionen Einwohner.“
Wohnungen für die fehlenden etwa 300.000 Menschen seien kein Problem. Hamburg habe „die geringste Bevölkerungsdichte aller europäischen Metropolen“ und Flächen gebe es reichlich. Den ZOB zum Beispiel: Busse in den Keller, und obendrauf ein attraktives Viertel zwischen Hauptbahnhof und Ausfallstraßen. Ja, sagt von Beust auf Nachfrage, er würde da wohnen wollen, „warum nicht?“.
Es gibt noch Politiker, die wollen für sich selbst nicht das Beste.
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