: Beim Autokauf verrechnet
■ Geldbuße für Betrug am Sozialamt, trotz „rausgerotzter“ Anzeige
Salah K. ist heute Autohändler. Aber mit Autos hatte der 27-jährige Staatenlose aus dem Libanon nicht immer Glück. Im Jahr 1997 hatte er sich einen schmucken Ford Mondeo gekauft, für 11.500 Mark. Das Problem: Er bezog damals Sozialhilfe. Pflichtgemäß meldete er den Kauf beim Sozialamt an, allerdings nur mit einem Kaufpreis von 2.800 Mark. Damit lag er denkbar knapp unter der Grenze von 3.000 Mark, ab der man ihm die Stütze gekürzt hätte.
Nicht das erste Vergehen des vierfachen Familienvaters, der vor zwölf Jahren als Analphabet ganz allein aus dem Libanon nach Deutschland gekommen ist: Bei einer Verurteilung, und sei es auch nur zu einer Geldbuße, droht eventuell der Widerruf einer Bewährung vom Amtsgericht Achim. Dann müsste K. für vier Monate ins Gefängnis und könnte sich nicht mehr um seine leukämiekranke Tochter kümmern. Sie muss alle drei Wochen in eine Spezialklinik nach Essen – laut dem Angeklagten auch der Grund für den folgenreichen Autokauf. Sogar die Essener Krankenschwestern haben sich in einem Brief für den liebevollen Familienvater eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft lehnte es trotzdem ab, das Verfahren einzustellen. Salah K. muss eine Geldbuße von 3.600 Mark zahlen.
Aber auch das Sozialamt kam nicht ungeschoren davon: Die anzeigende Behörde konnte den entstandenen Schaden konnte die anzeigende Behörde nämlich nicht beziffern. „Es ist unfair, wenn ein Laie einen Rückforderungs-Bescheid bekommt, den nicht einmal ein Jurist versteht“, rüffelte der Richter das Amt. Am Schluss bekam er sogar Mitleid mit der Sachbearbeiterin im Zeugenstand: „Bei allem Respekt vor der Arbeitsbelastung – die Amtsleitung rotzt die Anzeigen raus und lässt die Justiz machen,“ stellte er die Verantwortlichkeiten klar. THB
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