schnittplatz: „Verneigung vor dem Fußballfan“
Jeden Sonntag, wenn in Hamburg der Fischmarkt zu Ende geht, bringen Bananen-Mattes, Aal-Dieter, Wurst-Herbie und die anderen Marktschreier ihre Fische und Südfrüchte zu Schleuderpreisen unters Volk. Alles muss raus. Billig, billig, Hauptsache weg. Der Decoder-Sender Premiere wusste schon, warum er seine Jahrespressekonferenz in den Hamburger Hafen verlegt hat.
Der Marktschreier heißt in diesem Fall Manfred Puffer und ist der Vorsitzender der Premiere-Geschäftsführung. Es herrscht euphorische Schlussverkauf-Stimmung: Premiere gibt’s jetzt noch billiger. Jetzt nur noch 30 Mark im Monat inclusive Decoder-Miete, und für weitere 60 Mark lege ich alle Bundesliga-Spiele noch obendrauf. Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Die meisten haben noch nicht und wollen auch gar nicht, aber das würde Decoder-Manni nie zugeben.
„Wir haben 2,4 Millionen zufriedene Kundenhaushalte, das sind hundert gefüllte Stadien“, sagt Puffer, und in seinem weichen Österreichisch klingt das gar nicht so desaströs, wie es für die Kirch-Buchhaltung tatsächlich ist. Seinem Kollegen aus der Geschäftsführung, Hans Seger, fehlt dieser Dialekt, dick auftragen kann er aber auch: „Wir senken die Preise für unser Fußballangebot und verneigen uns damit vor den Fans, deren Herz dem Fußball gehört und die genauso leidenschaftlich wie wir den Fußball unterstützen.“
Boxer Axel Schulz, der wie Marcel Reif und Eishockey-Denkmal Erich Kühnhackl die dekorative Staffage der Pressekonferenz bilden muss, nickt pflichtbewusst unter seiner Baseballkappe. Bevor es ans Buffet geht, schwelgt die Vorstandsriege noch ein bisschen darin, „wie unvergleichlich digitales Fernsehen doch ist“ und dass man wirklich überall dabei sein wird und alles zeigt, was geht.
Immerhin: Mitgesellschafter Rupert Murdoch will seinem Partner Kirch noch ein Jahr länger die Stange halten. Die Strategie heißt Preis-Dumping. „Pay per view“ ist abgeschafft, für Spielfilm-Highlights muss nicht mehr extra gezahlt werden.
Wie sagte doch Puffer so trotzig: „Digitales Fernsehen wird ein Massenphänomen“? Mag sein, nur: Was Premiere macht, ist Bezahlfernsehen. Noch dazu eines, das sich nicht rechnet.
PETER AHRENS
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