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Nigerias Ölfelder brennen

Brennendes Öl aus geborstenen Pipelines gefährdet die Umwelt des Nigerdeltas. Ölkonzern Shell beklagt „neue Welle von Pipeline-Vandalisierung“

BERLIN taz ■ Ein neues Umweltdrama bedroht das Ogoni-Volk in den Ölfeldern des Niger-Flussdeltas in Nigeria. Auch die Ölexporte des westafrikanischen Landes sind gefährdet. Gigantische Feuer lodern aus gebrochenen Pipelines, die Öl des Shell-Konzerns transportiert sollen. Die Schäden, die dazu führen, dass Öl ausläuft und sich entzündet, seien „ziemlich erheblich“, bestätigte eine Konzernsprecherin.

Ein Oppositionsabgeordneter im Landesparlament des Bundesstaates Rivers, Magnus Abbe, sagte, Brände wüteten bereits seit zwei Monaten, ohne dass von Shell oder von der Regierung Hilfe komme: „Keinen interessiert, was hier passiert. Auf den Dächern der Ogoni-Häuser liegt eine dicke Rußschicht.“

Shell fördert im Ogoniland seit 1993 kein Öl mehr, aber über das Gebiet verlaufen Pipelines aus Shell-Fördergebieten im Flussdelta zum Ölhafen Bonny. Bereits letzte Woche musste der Konzern seine Förderung in Nigeria, die normalerweise 960.000 Barrel täglich beträgt und damit die Hälfte der nigerianischen Gesamtförderung ausmacht, aufgrund der Pipelineschäden um 200.000 Barrel reduzieren. Am Montag erklärte die lokale Shell-Filiale SPDC, weitere 240.000 Barrel seien in Gefahr. Der Konzern hat nach nigerianischen Presseberichten bis Ende August einen Zustand von „höherer Gewalt für alle seine Exporte aus Bonny erklärt, um sich gegen Entschädigungsforderungen für ausbleibende Lieferungen zu schützen.

In Lagos machte SPDC-Vizedirektor Egbert Imodoh am Montag Sabotage für die Katastrophe verantwortlich. Die geschädigten Stücke der Pipeline seien „auf einer erheblichen Länge freigelegt worden“, sagte er unter Berufung auf Hubschrauberüberwachungsflüge. Lokale Journalisten bestätigen diese Angaben. Saboteure hätten die Pipelines an Dutzenden von Stellen ausgegraben und beschädigt, um auslaufendes Öl zu sammeln und zu verkaufen – eine gebräuchliche Praxis unter den bitterarmen Bevölkerungen der Ölfördergebiete.

Kinder im Alter von 10 Jahren sind den Berichten zufolge an diesen Aktivitäten beteiligt, die sich nach Shell-Angaben auch auf andere Teile des Niger-Flussdeltas ausgedehnt haben. „Die neue Welle von Öldiebstahl und Pipeline-Vandalisierung macht uns ernste Sorgen“, sagte der SPDC-Sprecher für das westliche Delta, Harriman Oyofo, vergangene Woche. „Es scheint, als wollten Kriminelle Shell und die Volkswirtschaft lahm legen“. Der Konzern arbeite um die Ölstadt Warri mit der Polizei zusammen, um die Täter zu fassen, nachdem Versuche der Zusammenarbeit mit den lokalen Bevölkerungen gescheitert seien.

Die zunehmenden Spannungen in der Ölregion wirken sich auch politisch aus. In Warri, zweitgrößte Stadt des Nigerdeltas, trafen sich am Wochenende radikale politische Gruppen der einheimischen Ethnien des Nigerdeltas und sagten, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2003 würden sie Nigerias Staatschef Olusegun Obasanjo nicht mehr unterstützen. Bei seiner Wahl 1999, die in Nigeria der Militärdiktatur ein Ende setzte, hatte Obasanjo im Nigerdelta noch die höchsten Stimmenanteile erhalten, aber er hat seitdem sehr wenig für die Ölgebiete des Landes getan.

DOMINIC JOHNSON

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