„Wir haben die Waffen abgegeben“

Im Dorf Tearce bei Tetovo ist die UÇK schon demobilisiert. Die albanischen Kämpfer betrachten den Krieg als beendet. Erste mazedonische Flüchtlinge besuchen ihren Heimatort, trauen sich aber noch nicht, endgültig in ihre Häuser zurückzukehren

aus Tearce ERICH RATHFELDER

Vor der orthodoxen Kirche in Tearce parken die Busse, die über 200 Flüchtlinge in das von Albanern beherrschte Dorf zurückgebracht haben. Begleitet vom UNHCR, dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, sind slawische Mazedonier in ihr Dorf gekommen, das sie vor vier Wochen verlassen mussten. Sie wollen hier, wie Danica K. sagt, nur mal gucken, einige Sachen zusammenpacken und wieder nach Skopje zurückkehren. Der 50-Jährigen steigen bei dem Anblick der umliegenden Häuser Tränen in die Augen. Denn viele der Häuser sind zerstört. Nur die orthodoxe Kirche steht unbeschädigt da.

Tearce ist wie die meisten entlang eines Bergzuges gelegenen Dörfer bei Tetovo in Mazedonien ein gemischtes Dorf. Hier lebten noch vor wenigen Monaten slawische und albanische Mazedonier mit- und nebeneinander. Nach Angriffen der Polizei entschloss sich die UÇK vor rund sechs Wochen, diese Dörfer einzunehmen.

„Es gab keine Probleme hier“, sagt ein Ladenbesitzer. Er gehört der türkischen Minderheit an und hat auf keiner Seite gekämpft. „Ich will nur Frieden. Vor vier Wochen kam die UÇK und durchsuchte das Haus nach Waffen. Sie fanden nichts, dann ließen sie uns in Ruhe.“ Die Nachbarn aber nicht. Denn die schossen auf die UÇK-Kämpfer. Und lösten so die Kämpfe aus, die mit der Zerstörung einiger ihrer Häuser endeten. Danica will dazu nichts sagen.

Nur 200 Meter von der Kirche entfernt sind die Cafés voller Menschen. Hier ist das Zentrum des albanischen Teils des Dorfes. Uniformen wie noch einige Tage zuvor sind nicht mehr zu sehen. „Wir haben unsere Uniformen und unsere Waffen abgelegt, der Krieg ist jetzt vorbei“, sagt Niti, der aus Tetovo stammt. Als der Sprachenstudent vor wenigen Wochen von der Polizei in Tetovo festgenommen und geschlagen wurde, entschloss er sich, der UÇK beizutreten. Weil einige seiner Freunde in Tearce kämpften, kam er ins Dorf in deren Einheit. Damals waren die Kämpfe im Dorf selbst schon abgeflaut.

Doch der verantwortliche Kommandeur ist noch da. Er nennt sich Mani, ist ebenfalls in Zivil und froh, dass der Krieg vorbei ist. „Damals wurde zwischen den politischen Parteien beider Seiten verhandelt und ausgemacht, dass die UÇK die Waffen der Mazedonier einsammeln sollte. Dafür garantierten wir, dass der Zivilbevölkerung nichts passiert. Als einige von uns am Tage darauf vor den Häusern der Mazedonier auftauchten, schossen die, töteten einen Kameraden und verwundeten zwei. Es blieb uns nichts übrig, als ebenfalls zu schießen.“ Die UÇK gewann den Kampf, die slawischen Mazedonier flohen nach Skopje.

Jetzt starren die ausgebrannten Fensterhöhlen einiger Häuser dem Besucher entgegen. Danica hat ihr Haus gefunden, es ist nicht ausgebrannt. Nur einige Fenster sind zerbrochen. Im Inneren herrscht Durcheinander. Auf den ersten Blick mag sie nicht erkennen, ob etwas gestohlen ist. Sie packt einige Sachen ein und geht zurück zum Bus. Sie will wiederkommen, „wenn die Nato da ist und wir sicher sind“.

„Nur die, die kämpften, haben ihr Haus verloren“, sagt Petar S. Er will anonym bleiben, er hat Angst. „Die UÇK kam zwei Mal in unser Haus, um nach Waffen zu suchen, dann haben sie uns in Ruhe gelassen. Die anderen haben gekämpft, das war dumm.“

Auch das Haus von Danica Naumorska wurde von der UÇK durchsucht. Die 65-Jährige steht in ihrem Garten. Sie stammt aus der Vojvodina und lebt seit 51 Jahren in diesem Dorf. Nachdem ihr Mann vor vier Jahren starb, ist sie hier allein. „Die Nachbarn haben sich all die Jahre gut verstanden, hoffentlich ist jetzt der Krieg vorbei.“ Sie hofft, dass die Nato bald kommt und die Kontrolle übernimmt.

Auch Niti will das. „Es gibt jetzt keine UÇK-Kontrollstellen mehr an der Straße, die Armee soll ihre auch räumen, dann können alle die Straße wieder benutzen.“ Die Waffen der UÇK seien an einen Ort geschafft worden, den er nicht kenne. „Sie werden übergeben“, sagt Exkommandant Mani. Immerhin habe die Armee auch ihre Artillerie zurückgezogen. „Der Waffenstillstand hält.“ Und er packt. Er fährt wie Niti in die Stadt zurück und dann in sein eigenes Dorf.