: Böse fehlen 3,4 Millionen Mark
■ Bürgerzentrum Pelzer Straße wird teurer: Mit Knöllchen sollen jetzt 3,4 Millionen Mark pro Jahr dazu verdient werden
Der Innen-Staatsrat Kuno Böse hat kurz vor seiner Wahl in den Senat noch einen hochnotpeinlichen Gang vor sich: Am kommenden Dienstag muss er der Bremer Stadtregierung erklären, dass sein Ressort den Senat im Dezember nach allen Regeln der Kunst hinters Licht geführt hat. So jedenfalls bewertet der grüne Oppositions-Mann Matthias Güldner die Sache.
Damals, im Dezember, nahm der Senat zur Kenntnis, dass die Anmietung und Ausstattung eines „Bürgerzentrums“ in der Pfälzer Straße genau 2,531 Millionen Mark kosten würde. Am kommenden Dienstag muss Böse erklären, warum der Bedarf sich auf 6,009 Millionen Mark erhöht hat. Im Dezember sei der Haushaltsausschuss „getäuscht“ worden, sagt Güldner, zumal damals mit keinem Wort davon die Rede gewesen sei, dass es sich nur um eine grobe Schätzung handele.
Die Kostensteigerung sei fast ausschließlich „im Technikbereich“ erfolgt, erklärt die Be-schlussvorlage für den Senat. Die Ausstattung der Arbeitsplätze solle „auf dem aktuellen Stand der Technik“ passieren, Mehrbedarf 900.000 Mark. Der Zahlungsverkehr sollte auf „heute schon längst übliche Standards“ angehoben werden, „Mehrbedarf 500.000 Mark“. Eine Technik sei notwendig, die die „Versendung des Beweisfotos ohne Anforderung ermöglicht“, „Mehrbedarf 450.000 Mark“.
Wer den Staatsrat fragt, warum das alles nicht schon im Dezember geplant war und grob von den Kosten her geschätzt werden konnte, dem erzählt Kuno Böse, damals sei es nur um die „kleine Lösung“ Stadtamt gegangen, heute gehe es um die große Lösung „Dienstleistungszentrum“. Was inzwischen geplant sei, sei führend in Deutschland: Ganzer Bürger-Service aus einer Hand.
Das allerdings erklärt die Beschlussvorlage für den Senat nicht. Der Finanzsenator hat zudem schon klar gemacht, dass er für die „führende Technik“ keinen Nachschlag geben will.
Aus zusätzlichen Einnahmen durch Knöllchen bei der Überwachung des „fließenden Verkehrs“ will das Innenressort daher die Mehrkosten in den nächsten Jahren abstottern – im Vergleich zu dem, was im Dezember geplant war, soll es pro Jahr genau 3.492.520 Mark Mehreinnahmen über die effektive Verfolgung von Verkehrsdelikten geben. Auf dieses Geld musste das Innenressort bisher offenbar aufgrund mangelnder Technik verzichten. Das Verschicken von Fotos aus den Blitzlicht-Kameras soll die Zahlungsmoral anheben.
Weil die Einnahmen aus Knöllchen derart steil ansteigen, könnte das neue Bürgerzentrum als „betriebswirtschaftlich rentable Maßnahme“ betrachtet werden, heißt es in der Senatsvorlage.
„Äußerst windig und inakzeptabel“ findet der Grüne Güldner diese Art der Finanzierung. Auch in den letzten Jahren sei das Innenressort immer wieder aufgefallen mit der „Masche“, Einnahmen aus der Verkehrsüberwachung im Haushalt einzuplanen, die am Ende des Jahres dann fehlten. Klaus Wolschner
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