Wenn der Radler dreimal quakt

Klingeln oder hupen – wie lassen sich Autos und Fußgänger am wirkungsvollsten verscheuchen? Nicht nur ein Fall für Gesetzgeber und Wissenschaft, sondern auch für einfallsreiche Produzenten und notorische Gesetzesbrecher

Klingelingeling, klingelingeling, hier kommt . . . nein, nicht der Eiermann. Sondern ein gesetzestreuer Radfahrer. Mit einer gemäß § 64 a StVZO vorgeschriebenen „helltönenden Glocke“. Und die hat immer einschlägige Wirkung: Menschen springen sofort zur Seite – ohne sich umzudrehen. Und das schon seit Generationen. Gesund so, sagen die Klingelfans.

Langweilig, findet die Spaßgemeinschaft von heute. Hell tönendes Glockengebimmel! Viel zu bieder. Frei nach dem Motto „Witzischkeit kennt keine Grenzen“ sollen auch die Velos vor guter Laune nur so quieken. Zurzeit voll im Trend: die große Quak-Gemeinde der Fahrradhupen. Unzählige Lenker sind mit Lachnummern wie Sumo-Ringern, Schildkröten, Krokodilen mit Zylindern, Haien, Enten oder Delphinen bevölkert. Ein Charme, der gleich doppelt trifft: Radler- und Fußgängerherzen. Und der ganze Spaß für nicht mal zehn Mark – pro Stück.

Steht also der Komponentenmarkt vor dramatischen Veränderungen? Klingel out, Hupe in? Scheint so. „Querbeet durch alle Altersgruppen heiß begehrt“, bestätigt Yvonne Bartsch, Kauffrau im Einzelhandel bei 2-Rad Schröder in Bremen: Großväter kauften die Spaßmacher für ihre Enkel, Hundebesitzer für ihre Hunde. Eben für die sozialen Momente im Leben. Damit’s – quak – immer was zu lachen gibt.

Aber was tun, wenn sich die Angehupten für ihre lustigen Mitmenschen nicht interessieren? Uschi Stroux aus Bremen, stolze Besitzerin einer höflich grinsenden Schildkröte, kann ein Liedchen davon singen: „Erst wenn ich kurz vor der Gruppe kräftig auf die Hupe drücke, habe ich eine klitzekleine Chance. Erst dann flüchten sie nach allen Seiten – leider vollkommen unkontrolliert.“ Viele Radler verzichten deshalb auf die Warnfunktion ihrer Hupe und setzen die eigene Stimme ein. Was gesetzlich erlaubt ist. Und zwar so laut, wie es die Stimmbänder zulassen.

Sind Quaker also eine Gefahr für die Menschheit? „Ein heller Klingelton ist unnatürlich für das menschliche Gehör. Wir identifizieren ihn seit jeher als Warnung – unbewusst und daher unmittelbar“, so die Musikwissenschaftlerin Frauke Gerdes. Und warum klappt das nicht bei der Fahrradhupe? „Quaken ist nur allzu menschlich und wird daher nicht konditioniert.“ Wohl auch der Grund, warum die Klingel beim Wesenstest für Kampfhunde eine wesentliche Rolle spielt, nicht aber die Hupe.

Die gute alte Fahrradklingel – immer noch das beste Stück? Scheint so. Und obendrein noch längst nicht out: „Im Moment ist die 35-mm-Rennradglocke besonders gut im Rennen“, bestätigt Reinhard Libischer, Verkaufsleiter der Firma Reich, eines traditionellen Fahrradglocken-Herstellers. Das Unternehmen produziert seit 80 Jahren Klingeln aller Art und verkauft sie gut – und das bereits ab 1,50 Mark Endverkaufspreis. Im Programm: exotische Klingeldeckel, Klingeln mit Trillerwerk, Einschlag- oder Zweischlagtönen. Und Libischers Kommentar zu Fahrradhupen? „Kein Kommentar!“

Auch Achim Bellgart hat nur ein müdes Lächeln für quakende Töne übrig – und für die Fahrradklingel ebenso. Er steht auf die Alternative „Radlaufglocke“. Einziger Nachteil: Sie ist erschreckend laut und gilt nach § 64 a StVZO als Teufelswerk. Trotzdem schwört er auf dieses Instrument. „Das einzige, was hilft.“ Er meint: gegen die Autofahrer, die natürlichen Feinde aller Radfahrer. Auch Ordnungshüter haben es noch nicht geschafft, Bellgart zum Abschrauben seines Alarmgeräts zu verleiten: „Ich bin doch nicht lebensmüde.“