: Israelis töten den Chef der PFLP
Zwei Raketen zerstören das Büro von Abu Ali Mustafa. Er galt als Gemäßigter unter den Radikalen und war erst vor eineinhalb Jahren in das Westjordanland zurückgekehrt. Die von ihm geführte Volksfront zur Befreiung Palästinas droht mit Rache
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Abu Ali Mustafa, Generalsekretär der marxistischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), fiel gestern einem Raketenangriff der israelischen Luftwaffe zum Opfer. Der 63-Jährige galt jahrzehntelang als rechte Hand von PFLP-Chef George Habasch, dessen Nachfolge er übernahm, als Habasch vor gut einem Jahr von seinem Amt zurücktrat. Mit dem „Verbrechen gegen einen politischen Führer“, so kommentierte der palästinensische Kultur- und Informationsminister Jassir Abed Rabbo, überschreite Israel „sämtliche rote Linien“. Mustafa sei einer der „fünf wichtigsten Männer an der politischen Front“ und Chef der zweitgrößten PLO-Fraktion gewesen. Er habe die PLO von Beginn an begleitet. Das „Verbrechen“ richte sich auch gegen die Israelis selbst, „denn sie wissen, dass es sie teuer zu stehen kommen wird.“
In einer offiziellen Stellungnahme der palästinensischen Autonomiebehörde ist von der „Öffnung der Tore zu einem Krieg“ die Rede. Die palästinensische Führung machte zudem die USA mitverantwortlich für den Überfall, da die Regierung in Washington „grünes Licht“ dafür gegeben habe. Tatsächlich ist Palästinenserpräsident Jassir Arafat seit vielen Jahren mit Habasch zerstritten. Auch Mustafa war einer seiner schärfsten Kritiker und lehnte eine friedliche Lösung mit Israel ab.
Der Überfall ereignete sich am Vormittag, als zwei Raketen auf das Büro des PFLP-Chefs im Zentrum der Stadt Ramallah abgefeuert wurden. Drei Palästinenser wurden bei dem Angriff verletzt. Die israelische Armee begründete die Ermordung Mustafas mit einer Reihe von Terroranschlägen, für die er mitverantwortlich gewesen sein soll. So war erst in der vergangenen Woche eine Autobombe in Jerusalem entschärft worden, die auf sein Kommando installiert worden sein soll. Seit Beginn der so genannten Al-Aksa-Intifada habe die PFLP neun weitere Sprengstoffsätze in Israel versteckt. Fast alle konnten vor ihrer Explosion entschärft werden.
Der palästinensische Minister Saib Erekat sprach von einer „Anhebung der Eskalation auf ein neues Niveau“. Offenbar rechnete Mustafa selbst nicht mit einem Anschlag. Zumindest hat er, ungeachtet der israelischen Strategie der „Initiativschritte zur Selbstverteidigung“, wie es im Tel Aviver Verteidigungsministerium heißt, keinerlei Maßnahmen getroffen, um sich in Sicherheit zu bringen. Tatsächlich bilden Anschläge der israelischen Armee auf politische Führer eher die Ausnahme und finden nur statt, wenn das Opfer gleichzeitig an der Planung von militärischen Aktionen beteiligt ist.
Erst vor knapp zwei Jahren war Mustafa nach 30-jährigem Exil in seine Heimat zurückgekehrt. Informationen des israelischen Militärs zufolge war seine Einreise genehmigt worden, nachdem die palästinensische Autonomiebehörde sich dazu verpflichtete, Mustafa an einer Fortsetzung des militärischen Kampfes zu hindern. Schon bei seiner Ankunft erklärte er: „Wir dürfen nicht vergessen, dass es noch viel für den Kampf um ganz Palästina zu tun gibt.“ Vier Millionen Flüchtlinge „warten auf den Tag ihrer Rückkehr nach Palästina“. In einem späteren Interview mit dem palästinensischen Fernsehen sprach er vom „historischen Palästina“, das sich vom Meer bis zum Jordan-Fluss hinziehe.
Mustafa war 1967 nach Jordanien geflüchtet, wo er zu den Mitgründern der PFLP gehörte. Später lebte er im Libanon, in Kuwait und Syrien. PFLP-Aktivisten zufolge soll er sich in seiner Exilzeit als einfacher Handwerker und bisweilen sogar als Falafel-Verkäufer durchs Leben geschlagen haben.
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