: „Die deutschen Politiker sind doch Hasenfüße“
Nato-Soldaten wundern sich, dass die Bundeswehr erst jetzt nach Mazedonien kommt. Denn ein Großteil der UÇK-Waffen ist schon eingesammelt
SKOPJE taz ■ Verdutzt und ein bisschen ratlos sind die Vertreter anderer Nationen über das späte Eintreffen der deutschen Truppen. Denn die Aktion „Essential Harvest“ hat ja schon begonnen und die Deutschen fehlen an einem Abschnitt der ehemaligen Frontlinie bei Tetovo. Wer eine deutsche Uniform trägt, und das sind die schon lange anwesenden Versorgungstruppen der KFOR, muss deshalb etwas Spott ertragen können.
Dass der Bundestag erst gestern über den Einsatz deutscher Soldaten abstimmte, wird denn auch von Offizieren anderer Länder als Taktik angesehen. Die Deutschen wollten erst einmal sehen, wie die Aktion „Essential Harvest“ sich entwickelt. „Ihre Politiker sind doch Hasenfüße“, meint ein britischer Offizier.
Noch Stunden vor dem Bundestagsbeschluss ist es dem Pressesprecher der Nato, Peter Altmannsperger, verwehrt, über den voraussichtlichen Stationierungsort zu sprechen oder gar die Wege zu nennen, über die die Deutschen nach Mazedonien kommen werden. Klar ist nur, dass zwei mechanisierte Kompanien aus dem Kosovo abgezogen werden, die sich nach dem Bundestagsbeschluss nach Mazedonien in Bewegung setzen sollen. Eine Stabs- und Unterstützungskompanie wird aus Deutschland eingeflogen.
Da angesichts der Blockade des Grenzüberganges Blace nur ein Weg offen bleibt, werden die Deutschen vermutlich den Übergang Jashince nehmen. Es handelt sich dabei um die noch vor kurzem zwischen der mazedonischen Armee und den UÇK-Rebellen umkämpfte Straße nach Tetovo. Das Sicherheitsrisiko ist dennoch nicht allzu hoch. Die UÇK ist hier weitgehend demobilisiert, und die Armee hat ihre schweren Waffen zurückgezogen.
Die beiden mechanisierten Kompanien der Bundeswehr sind den Franzosen zugeordnet. Deutsche Soldaten werden demnach also Hand in Hand mit französischen Fremdenlegionären arbeiten. Ein Gedanke, an dem nicht alle deutschen Offiziere gefallen finden. Nato-Sprecher Peter Altmannsperger weist allerdings darauf hin, dass die Stabs- und Unterstützungskompanie unter nationalem Befehl bleiben wird.
Auf dem weitläufigen Gelände des Truppenübungsplatzes Krivolak in Südmazedonien präsentierte die Nato der Weltpresse gestern die von ihr eingesammelten Waffen. Es handelt sich dabei um mehr als 800 Gewehre, Maschinengewehre und Panzerfäuste, die, sauber auf einer Plane aufgereiht, die versammelte Medienwelt von der Effizienz der Nato-Aktion „Essential Harvest“ überzeugen sollen.
Eine erste Begutachtung fällt allerdings nicht gerade überzeugend aus. Doch wer ist schon militärischer Experte genug, um aus 20 Metern Entfernung das Alter eines Gewehrs zu erkennen. Ein Drittel der Waffen sei alt, ein Drittel werde von den Armeen des Balkan heute genutzt und ein Drittel sei ausgesprochen modernes Gerät, mit dieser Erklärung versuchen die Soldaten die Kritiker zu beruhigen.
Erkennbar erleichtert stellt sich Nato-Generalsekretär George Robertson vor die Kameras. „Bald wird die Nato-Truppe vollzählig sein.“ Die Aktion „Essential Harvest“ sei bisher ein Erfolg. Die UÇK habe Wort gehalten und in zwei Tagen freiwillig mehr Waffen abgeliefert, als die Nato erwarten durfte. „Wir sind hier auf Wunsch der Regierung Mazedoniens“, sagte Robertson, „und unsere Mission besteht lediglich darin, in 30 Tagen die freiwillig übergebenen Waffen einzusammeln und zu vernichten.“ Diese Mission sei nur Teil eines politischen Prozesses, der dem Land und allen seinen Bürgern „endlich Frieden bringen soll“.
Aber was wird geschehen, wenn die UÇK mit den zurückbehaltenen Waffen erneut zu kämpfen beginnt? „Wir sind sicher, dass der politische Prozess Erfolg haben wird“, sagt Robertson. Das Parlament werde mit Zweidrittelmehrheit die in Ohrid verhandelten Verfassungsänderungen beschließen. Eine Verlängerung des Mandates sei nicht angepeilt. Sagt’s und steigt in seinen Hubschrauber.
ERICH RATHFELDER
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