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30 Fußballfelder für verwaiste Tiere

Das neue Tierheim ist rund zehn Mal größer als das alte. Künftig können in Hohenschönhausen etwa 300 Hunde in 15 Pavillons mit Freiluft-Ausguck wohnen. Und in zwei hellen Katzenhäusern mit aufwendigen Glasanbauten ist Raum für rund 400 Katzen

Heimatlose Echsen werden indes nach wie vor nur ungern angenommen

von KIRSTEN KÜPPERS

Im Tierheim Lankwitz gab es nur noch Probleme. Der Platz reichte schon lange nicht mehr aus, Erweiterungsbauten waren nicht möglich. Alle Mitarbeiter sind also froh, dass sie heute früh um sechs Uhr die ersten Tiere in wasserdichte Transportbehälter packen können. Die 100 Hunde, 150 Katzen, 10 Ratten, 4 Degus und 3 Frettchen werden dann in Mercedes-Transporter verladen und von Lankwitz nach Hohenschönhausen gefahren. Dort steht nun endlich das größte Tierheim Europas bereit, die eben fertig gestellte Anlage gilt als die modernste und architektonisch interessanteste ihrer Art.

„Das neue Gelände entspricht der Größe von 30 Fußballfeldern.“ Diesen Satz sagt die Tierheimsprecherin Carola Ruff besonders gern. Er weist in eine Zukunft voller großzügiger Geräumigkeit. Das ist wichtig für die nervösen Tierheim-Tiere. Mit dem Umzug geht für das älteste deutsche Tierheim im Ortsteil Lankwitz nach 100 Jahren so etwas wie eine Ära zu Ende, glaubt Carola Ruff. Rund 23.000 abgeschobene und verunglückte Tiere betreuen die etwa 60 Tierheimmitarbeiter im Jahr. Das ist nicht nur eine Frage der Fürsorge, sondern vor allem auch ein Platzproblem.

Doch das neue Tierheim Hohenschönhausen ist rund zehn Mal größer als das alte. Künftig können etwa 300 Hunde in 15 Pavillons mit Freiluft-Ausguck wohnen. In zwei hellen Katzenhäusern mit aufwendigen Glasanbauten ist Raum für rund 400 Katzen. Echsen werden indes nach wie vor ungern angenommen.

Die rund 71 Millionen Mark teure Anlage am östlichen Stadtrand wird knapp ein Jahr später als ursprünglich geplant eröffnet, auf dem Grundstück einer ehemaligen Schweinemastfarm. Pfusch auf der Baustelle hatte den pünktlichen Start verhindert. Bei der Abnahme der Gebäude am Mittwoch fehlten im Katzenhaus noch nebelsichere Hinweisschilder auf die Fluchtwege sowie eine Rufanlage in der Behindertentoilette.

Mit der Ausstattung setzt das Tierheim seinen traditionellen Hang zu Modernität fort. Schon 1901, als das Tierasyl in Lankwitz öffnete, verfügte das Gebäude über eine neumodische Schalterhalle mit Empfangsdame. In der Tierarztpraxis konnte man Hunde nicht nur medizinisch behandeln lassen, sie wurden dort auch geföhnt, gebadet oder mit Höhensonne bestrahlt. 1951 bekam das Tierheim zudem noch einen weitläufigen Tierfriedhof.

Dieser geriet bald zum beliebten Drehort für internationale Fernsehteams. Nebenbei wurden Tausende von Hunden, Katzen und Meerschweinchen beerdigt. Auch der berühmte Polizeihund „Waldo“ fand nach 18-jähriger Spürhundtätigkeit sein Ehrengrab in Lankwitz. Die Tierleichen sind bereits im vergangenen Jahr nach Hohenschönhausen umgebettet worden. 300 neue Gräber seien schon hinzugekommen, sagt Carola Ruff.

Während gestern in Lankwitz die Möbelpacker Schränke, Büromaterialien und Futtersäcke auf die Ladeflächen der Lkw schafften, nahmen die Tierheimmitarbeiter weiterhin zugelaufene Katzen aus Neukölln entgegen. Beim Rundgang durch die alten Räumlichkeiten schlich sich im Durcheinander des Hundegebells, der verräumten Kisten und Käfige das für Umzugssituationen typische Gefühl eines melancholischen Nichtwegwollens ein. In der leeren Vogelabteilung fand man einen einsam pfeifenden Nymphensittich, im unteren Stock warteten noch etliche kranke Katzen. Der schöne weiße Hund vorne am Eingang wirkte dabei in der Trostlosigkeit seines Zwingers irgendwie märchenhaft.

Immerhin ist es erfreulich, dass weniger Tiere umziehen müssen als anfangs geplant. Dank einer Werbeaktion des Einrichtungshauses „Möbel Tegeler“, das in Berliner Tageszeitungen Anzeigen für das Tierheim schalten ließ, konnten in der letzten Woche noch viele Tiere an neue Besitzer vermittelt werden. 81 Hunde sowie 100 Katzen fanden ein neues Zuhause, drei Berliner Privatpersonen übernahmen die Fische, die Wasserschildkröten sind in ein Tierheim nach Ahaus gebracht worden.

In Lankwitz gab es immer Ärger mit den Nachbarn, erzählt Carola Ruff. Die Gebäude des alten Tierheims werden dort nun abgerissen. Ein Unternehmen aus Bayern baut auf dem Gelände eine Einfamilienhaus-Siedlung.

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