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Mängelliste als Bestätigung

Chronische Krankheiten werden mangelhaft behandelt, stellt der Sachverständigenrat für Gesundheit fest. Krankenkassen melden neues Rekorddefizit. Beitragssätze werden steigen, aber Gesundheitsministerin Schmidt findet ihre Politik richtig

von STEPHANIE VON OPPEN

Schwere Missstände in der deutschen Gesundheitsversorgung hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen festgestellt. Dessen Vorsitzender Friedrich Schwartz stellte gestern in Berlin ein Gutachten zur „Über-, Unter-, und Fehlversorgung“ vor. Anhand zehn großer Krankheiten, von denen etwa ein Fünftel der Bevölkerung betroffen sind, die aber etwa zwei Drittel der Kosten im Gesundheitswesen ausmachen, hat der Rat die Versorgungssituation analysiert.

Das gegenwärtige System sei zu sehr auf akute Krankheitsformen ausgerichtet, kritisierte Schwartz. Gerade bei chronisch Kranken falle die „somatische Fixierung“ des Systems auf, die sozialen und psychischen Bezüge der Betroffenen würden zu wenig berücksichtigt. Dies sei allerdings nicht das Ergebnis kurzfristiger Fehlsteuerungen, sondern Ausdruck einer langfristigen Fehlanpassung des Systems. So gebe es zum Beispiel in der Diabetikerversorgung seit über zehn Jahren erfolgreiche Modellversuche. Zu einer flächendeckenden Verbesserung sei es aber noch nicht gekommen. Verantwortlich machte Schwartz dafür die zuständigen Verbände der Selbstverwaltung aus Krankenkassen und organisierter Ärzteschaft. Versagt habe die Selbstverwaltung auch bei den Früherkennungsuntersuchungen für Brustkrebs. Bis heute würden die grauen Mammographien geduldet, obwohl bereits seit 1994 eine Studie vorliegt, die die Mängel dieser Untersuchungsmethode aufzeigt.

Schwartz forderte, dass die Versorgungsintegration erheblich verbessert werden müsse. Langfristig müsse das gesamte Gesundheitssystem umgesteuert werden. Das könne man aber nicht mit einer „Sofortreform aus einem Guss“ korrigieren.

Diese Bemerkung fasste die in den letzten Monaten unter Druck geratene SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt als Bestätigung ihrer bisherigen Politik auf. Gebetsmühlenartig wiederholte sie gestern ihr Votum für mehr „Qualität, Transparenz und Wirtschaftlichkeit“ in der gesetzlichen Krankenversicherung und verwies auf den von ihr ins Leben gerufenen Runden Tisch von Vertretern der Gesundheitsbranche.

Auf die gestrige Nachricht, dass das Defizit bei den Krankenkassen um weitere 5 Milliarden Mark angestiegen ist, reagierte die Ministerin betont gelassen. Aufgrund des Defizits sei damit zu rechnen, dass die Beitragssätze im nächsten Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen werden. Sie verwies darauf, dass sich im zweiten Halbjahr die Einnahmen der Kassen durch das Weihnachtsgeld und das 13. Monatsgehalt verbessern würden.

Bei dem neuen Defizit schlagen besonders die im vergangenen halben Jahr explodierten Kosten für Medikamente zu Buche. Ulla Schmidt hatte kurz nach ihrem Amtsantritt Ende Januar die Budgetierung von Arznei- und Heilmitteln abgeschafft. Einen Zusammenhang will Schmidt jedoch nicht erkennen. Sie machte die flaue Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für das Defizit verantwortlich. Aktuell könnten keine Maßnahmen zur Beitragsentlastung noch in diesem Jahr eingeleitet werden, so Schmidt.

Ihre Parteikollegin Regina Schmidt-Zadel hingegen forderte gestern, die Mehrwertsteuer für Arzneimittel zu halbieren und versicherungsfremde Leistungen wie Muttergeld aus Steuermitteln zu finanzieren. Auf diese Weise könne man 3,5 bis 7 Milliarden Mark sparen. Schmidt lehnt diese Forderung, die die Krankenkassen schon seit längerem erheben, kathegorisch ab. Das belaste den Steuerzahler und ändere nichts an den Strukturen im Gesundheitssystem.

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