: Nonsens mit Sinn
Ernst Jandl starb am 10. Juni im Alter von 74 Jahren. In ihrem Requiem für Ernst Jandl (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001, 45 Seiten, 24 Mark) schrieb seine langjährige Lebensgefährtin (und diesjährige Büchnerpreisträgerin) Friederike Mayröcker: „in der Küche stehn wir beide / rühren in dem leeren Topf / schauen aus dem Fenster beide / haben 1 Gedicht im Kopf“. Seit 1954 verband die beiden Schriftsteller eine intensive Arbeits- und Lebensbeziehung.
Zur Einführung in Werk und Leben Jandls empfehlenswert: der Band a komma punkt (Luchterhand Verlag, München 2000, 216 Seiten, leider 78 Mark, herausgegeben von Klaus Siblewski). Der Autor hat ein Fülle von Fotos aus allen Lebensstationen Jandls zusammengestellt und mit informativen Begleittexten versehen – ein Lebensroman in Bildern, in dem man neben vielen anderen Entdeckungen etwa den kleinen Ernst neben seiner Mutter (die auch Gedichte schrieb) betend im Elternschlafzimmer sehen kann.
„ottos mops“, eines von Jandls bekanntesten Gedichten, kommt mit nur einem Vokal aus, dem O. Es geht zum Beispiel so: „ottos mops klopft / otto: komm mops komm / ottos mops kotzt / otto: ogottogott.“
Friedrike Mayröcker hat einmal gesagt, dies Gedicht sei nicht aus Liebe zu Hunden, sondern aus Liebe zu Vokalen entstanden. Ein Satz, ebenso schlicht wie fundamental im Hinblick auf Jandl. Vielleicht hat er deshalb in seinem Kriegsgedicht „schtzngrmm“ ganz auf Vokale verzichtet.
Auf die Frage „Geht es Ihnen nicht manchmal einfach darum, Sinnballast loszuwerden?“, hat Ernst Jandl 1997 in einem taz-Interview geantwortet: „Unbedingt. Unbedingt. Aber es gibt Phasen, wo man einfach nicht in den Nonsens hineinkommt – man versucht’s, aber es kommt lauter Dreck heraus.“ Darauf fragt der Interviewer: „Wollen Sie die Sprache gewissermaßen zur Musik erlösen?“ Und Jandl antwortet: „Das wäre etwas überhöht ausgedrückt.“
Zwei Jahre diente Jandl als Soldat in der deutschen Wehrmacht. Dann kam für ihn die Befreiung, als Kriegsgefangener der Amerikaner. Jandl muss damals genau hingehört haben. Später war er Lehrer für Deutsch und Englisch. Und viele seiner Gedichte sind von englischen Spracheinsprengseln durchzogen: „a flek / on the flag / let’s putzen.“
Zum 65. Geburtstag Ernst Jandls hat die taz alle Ls und Rs auf ihrer ersten Seite vertauscht – eine Hommage an Jandls Gedicht lechts und rinks kann man nicht velwechsern. Eine Schlagzeile lautete zum Beispiel: „Mit Huckepack und 5 Plozent ins Palrament“. Und die taz-Leser lernten die „laf“ kennen, eine so genannte (nun mit richtigen Rs) terroristische Vereinigung.
In einem Leserbrief bekannte ein damaliger Stern-Redakteur, er hätte „beinahe geheult vor Rührung“. Und er prophezeite allen tazlern: Wegen dieser Aufmacherseite „werdet ihr alle in den Himmel kommen“.
Ernst Jandl war ein großer Jazzfan. Gerne gab er bei Lesungen, zu denen mitunter an die tausend Zuschauer kamen, mit Musikbegleitung den „zertretener mann blues“ zum Besten. Darin heißt es: „ich krieche mit zerdroschenem gesicht / vor meinen schlächter, doch ich bettel nicht“.
DIRK KNIPPHALS
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