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„Menschenrecht auf Bildung“

Wege durch den Paragraphendschungel: Die Projekte „Klaro“ und „Ella“ helfen jungen MigrantInnen bei der Berufswahl  ■ Von Anke Schwarzer

Vlajko M. hat es geschafft. Der 21-Jährige lernt Kraftfahrzeugmechaniker und ist im ersten Lehrjahr. Für die Vorstellungsgespräche hat er mit Till Kobusch von „Klaro“, der Beratungsstelle für junge Männer ausländischer Herkunft, trainiert: „Wir haben bestimmt fünfmal eine Bewerbung durchgespielt und mit Videos aufgenommen, das wäre im Arbeitsamt unvorstellbar“, erzählt Vlajko M.

120 Schulabgänger suchten im vergangenen Jahr in Billstedt bei Till Kobusch Rat. Der Sozialpädagoge unterstützt die Jugendlichen seit 1996 bei Berufswahl und Bewerbungen. Mit gutem Erfolg, wie bei Vlajko M., der diesmal seinen Freund in die Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) begleitet: Imed B. hat das Gymnasium abgebrochen und anschließend mal hier, mal da gejobbt. Jetzt weiß er, dass er sein Geld am liebsten als Informatikkaufmann verdienen möchte. Eine Bewerbung hat er schon geschrieben, die will er von Kobusch „mal durchchecken lassen“.

Der Sozialpädagoge verschränkt die Hände über dem Kopf, hört zu, überlegt. „Warum nicht Fach-Informatiker?“ fragt er und erklärt den Unterschied. Imed B. lernt, dass sein Berufswunsch mehr mit Verkaufen und Kaufen zu tun hat, als ihm lieb ist, und verabschiedet sich von seiner Idee. Gemeinsam suchen sie Adressen aus dem Internet: Berufsfachschule, Assistent für Informatik, Screen-Designer. Kobusch druckt auch ein Angebot für Mediengestalter aus. Zwei Tage hat Imed B. nun Zeit, Bewerbungen zu schreiben, die er dann mit Kobusch durchspricht.

„Wenn man es wirklich möchte, dann schafft man es“ – so optimis-tisch wie sein Freund Vlajko ist Imed B. nicht. Er erzählt von Bekannten, die zahllose Bewerbungen abschicken und ständig Absagen kassieren. Berufswahl und die Suche nach einer Lehrstelle ist für die meisten Jugendlichen keine einfache Sache. Was möchte ich arbeiten? Kann ich das überhaupt? Und vor allem: Wer nimmt mich?

Für junge Frauen und Männer ausländischer Herkunft stellen sich noch ganz andere Probleme: Darf ich überhaupt arbeiten? Ist es mir erlaubt, eine betriebliche Ausbildung zu machen? Die oft verschlungenen Bildungsbiographien junger MigrantInnen treffen auf ein rigides Ausländergesetz: Scherereien mit der Arbeitsgenehmigung, die Bevorzugung von Deutschen bei den Lehrstellen und ein unsicherer Aufenthaltsstatus machen ihnen das Leben schwer.

Zwar finden bei „Klaro“ über 80 Prozent der jungen Männer einen Ausbildungsplatz oder besuchen eine weiterführende Schule. Aber nicht immer haben die Jugendlichen eine freie Wahl. Vor allem Migranten, die nur eine Duldung besitzen, werde eine betriebliche Ausbildung verwehrt. „Besonders betroffen davon sind Jugendliche aus Afghanistan“, sagt Kobusch.

Weil sie dem Arbeitsverbot unterlag, stand auch der Kurdin Ceylan T. nach ihrem Realschulabschluss nur eine schulische Ausbildung offen. „Ich wollte nicht zu Hause rumsitzen, da war die Höhere Handelsschule der einzige Weg für mich“, sagt die 20-Jährige. Dabei hätte sie viel lieber mit Jugendlichen gearbeitet. Ihre Lehrerin erzählte ihr vom Mädchenprojekt „Ella“, und dort empfahl man ihr die Fachoberschule für Sozialpädagogik: „Damit war ich sehr glücklich“, sagt Ceylan T.

„Jugendliche sollten sofort eine Arbeitsgenehmigung erhalten, damit sie eine Perspektive aufbauen können“, fordert Delnavaz Azari, langjährige Beraterin bei „Ella“ in Horn-Billstedt. Das Projekt berät seit 1991 junge Migrantinnen bei der Berufswahl, begleitet sie während der Ausbildung und hat auch für familiäre Probleme ein offenes Ohr.

Neben dem Arbeits- und Ausbildungsverbot sieht „Klaro“-Mitarbeiter Kobusch in der Bevorzugung von Deutschen bei der Lehrstellenvergabe ein weiteres Hindernis. Oft seien nur Tätigkeiten im Gastronomiebereich oder Jobs als Zeitungszusteller vermittelbar, so der Berufsberater. Zahlreiche Berufe, zum Beispiel im Metallbereich, stünden auf einer Negativliste des Arbeitsamtes – für sie werde MigrantInnen pauschal, ohne Einzelfallprüfung, die Arbeitsgenehmigung verweigert.

Die Beratungsstellen haben gelernt, auch im dichten Paragraphendschungel noch neue Wege innerhalb der eng gesteckten Grenzen zu finden. Eine Dauerlösung ist das freilich nicht. „Alle Jugendliche sollten ein Menschenrecht auf Bildung und Entwicklung haben“, sagt Kobusch.

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