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Porno, ganz schüchtern

Nach Sat.1 verirrt sich auch RTL ins Rotlichtmilieu. Im Dreistundenepos „Das sündige Mädchen“ hätte es um die Sex-Industrie gehen können. Doch der Film liefert nur alte Klischees (Sa, 20.15 Uhr, RTL)

von CHRISTIAN BUSS

Anna Loos zieht sich nicht aus. Das ist bemerkenswert, da sie eine Frau spielt, die zum Erwerb ihres Lebensunterhalts nichts anderes tut als sich auszuziehen. Anna Loos spielt das „Sündige Mädchen“, die Filmfigur Angela Winter, die an das reale Starlet Sibylle Rauch angelehnt ist. Rauch war Ende der Siebziger mal Playmate des Monats, später drehte sie Hardcore-Pornos für Teresa Orlowski, am Ende ihrer Karriere brachte sie sich mit Peepshow-Auftritten durch.

Zwischendurch saß sie immer mal wieder in Fernsehtalkshows und stand der Nation Rede und Antwort über ihr verkorkstes Leben; das waren die wenigen Momente, in denen sie bei der Arbeit mal angezogen war. Aber auch der Umstand, dass sie angezogen war, schützte sie kaum davor, penetriert zu werden – mit säftelnden Sottisen zu ihrer Brusterweiterung oder ihrem stets desaströsen Kontostand.

Dass Anna Loos sich nicht auszieht, mag einer gewissen Pietät gegenüber jener tragischen Gestalt geschuldet sein, die sie in der überlangen und deshalb in zwei Teilen am selben Abend ausgestrahlten RTL-Produktion verkörpert. Letztendlich weidet sich der Film, in dem sie mitspielt, aber genauso an dem Schicksal der Sibylle Rauch, wie es die deutschen Medien seit 20 Jahren tun. Dass sich Loos einigermaßen zugeknöpft gibt, bleibt eine schwache Geste des Anstands in einer Sex-Soap, in der ansonsten schamlos die Techniken des Voyeurismus angewendet werden. Auch wenn in „Das sündige Mädchen“ eher schüchtern nackte Haut gezeigt wird, so erinnert die Produktion doch an einen Porno. Das fängt mit der unbeholfenen Maske an – so schäbig blondiert hat man Anna Loos noch nie gesehen. Und der ansonsten über alle Entstellungen erhabene Jürgen Tarrach sieht aus, als hätte ihm jemand einen Wischmob auf den Kopf gelegt. Die beschränkte Dramaturgie legt ebenfalls den Pornovergleich nahe: Die Charaktere werden hier von Höhepunkt zu Höhepunkt gescheucht, ansonsten stehen sie unmotiviert in der abgewarzten Achtziger-Jahre-Kulisse herum. Als wollte man über die schwächelnde Narration hinwegtäuschen, wird immer wieder das pittoresk verheulte Gesicht der Loos im Close-up gezeigt. Close-ups sind die wichtigsten Einstellungen in Pornos.

Dabei nimmt Regisseur Julian Stark („Julietta“) große Verweise vor. Immer wieder zitiert er Fellinis „La Dolce Vita“, „Nachtblende“ und – klar – „Boogie Nights“. Das lässt sein Rührstück nur umso bescheidener erscheinen.

Die Münchner Society zwischen Geldadel und Sexgewerbe wird bei ihm mit der analytischen Schärfe eines Bild-Zeitungs-Reports beleuchtet. „Boogie Nights“ in Bayern, das heißt: Fotografen, die die ganze Zeit von „Hasen“ fachsimpeln, und Koksspuren auf dem Disco-Tresen. Die von Loos verkörperte Heldin tritt als naive Unschuld in diesen voll verchromten Sündenpfuhl und wird von allen ausgenutzt. Dabei sind ihre bösen Gegenspieler von einer märchenhaften Eindeutigkeit: Teresa Orlowski etwa, die Sibylle Rauch einst während des ersten Karrieretiefs souverän ins Hardcore-Fach manövrierte, taucht als Hexe mit Rechenstab auf.

Dabei hätte man gerade an dieser mittelständischen Unternehmerin ganz gut die Funktionsweisen der Pornoindustrie aufzeigen können, die sich von denen anderer Wirtschaftszweige nicht so sehr unterscheiden.

Stattdessen bekommt der RTL-Gucker bestätigt, was er schon immer geahnt hat: Das Geschäft mit dem Sex ist schmutzig. Schön, wenn man trotzdem mal einen Blick riskieren darf.

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