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Des Cowboys Männer machen Feuer

■ Der Kenianer Daniel Kiprugut und die Dänin Gitte Karlshoj gewinnen den 12. Alsterlauf

Als Sandra Wiska in Begleitung eines Polizeimotorrads die Ziellinie überquerte, biss der Kenianer Daniel Kiprugut immer noch fröhlich auf seine Goldmedaille. Exakt 54 Minuten und 31 Sekunden trennten die Letzte vom Ersten des Feldes, eine Goldmedaille erhielt Wiska dennoch – so wie jeder Teilnehmer des 12. Alsterlaufs.

Über 4.000 Profis, Amateure und Laien waren angetreten, um den zehn Kilometer langen Parcours zu bezwingen. Kurz vor dem Start: Sponsoren verteilen Obst und Studentenfutter, Massenschlangen vor den Klos und dickste Luft in den zu kleinen Umkleidekabinen. Vollblutathleten dehnen ihre dünnen Muskelbeine, Rentner mit antrainierten Bierbäuchen klemmen sich die Genitalien an Absperrgittern und sportliche Hausfrauen in Radlerhosen sagen ihren Liebsten Lebewohl. Das Feld war bunt. Dann der erste Schuss um 9 Uhr 30. Der Herr im Khaki-Stirnband weiß Bescheid, stürzt aus der Umkleide, um 1.900 Meter mit Jedermann und -frau gegen braune (Gedanken-)Gewalt zu laufen und zu demonstrieren.

Das „Pro Toleranz – Gegen Gewalt“-Rennen hieß letztes Jahr noch „Um die Alster gegen rechts“. Viele Sportler hätten dieses Motto aber als zu politisch empfunden, erzählt Karsten Schölermann, einer der Organisatoren des Alsterlaufs, deshalb die Namensänderung. Zum Start des Hauptrennens um 10 Uhr schaffen es nicht alle „Demonstranten“ rechtzeitig zurück. Das Rennen wird trotzdem pünktlich gestartet. Eigentlich ungerecht.

Innensenator Olaf Scholz bleibt die Ehre, in Cowboypose mit der Schreckschusspistole „Le Petit“ den Startbefehl zu erteilen. Dann rauscht das Feld vorbei, minutenlang. Einer mit nacktem Oberkörper, der andere mit durchsichtiger Regenjacke und ein winkender Bodybuilder mit Nasenklemme. Da-runter auch das lächelnde kenianische Favoriten-Duo Kipruto Tanui und Daniel Kiprugut. An ihren Fersen kleben der Hamburger Marathon- Meister Steffen Benecke (TSG Bergedorf) und Thronfolge-Aspirant Arne Gabius (LAV-Hamburg). „Hauptsache, den Benecke schlagen“, lautet dessen Rennstrategie. Bei den Damen ist die dänische Dauerbrennerin Gitte Karlshoj erste Kandidatin auf die 500 Mark Preisgeld, Wiska läuft nur zum Spaß.

Kaum hat der Senator seinen vielleicht letzten Startschuss abgegeben, da treffen schon die ersten Läufer des Schülerwettbewerbs im Rathaus-Ziel ein. Björn Schumann gewinnt zwar, Mutter muss aber erstmal mit einem Tempo den Schnodder aus beiden Nasenlöchern entfernen. „Die haben die Schülerstrecke noch gar nicht abgesperrt“, keift er, „ich bin 50 Meter in die falsche Richtung gelaufen.“ Derweil ist das Alsterlauf-Feld schon lange zersplittert. Die Karlshoj laufe schon die ganze Zeit solo mit den Männern. Und drei Kenianer hätten sich abgesetzt, verkündet die Rennleitung, obwohl doch nur zwei am Start sind.

Dann die Zielgerade. Es siegt mit neuem Streckenrekord (28 Minuten, 55 Sekunden) der Kenianer Daniel Kiprugut. Bei Kilometer fünf habe er die Deutschen hinter sich gesehen, dann hätte er Ernst gemacht. „Wir sind ein Team,“ sagt der Drittplazierte Teamkollege Tanui, „alles war geplant.“ Benecke, der auch unter dem alten Streckenrekord bleibt, verteilt Seitenhiebe. Er sei eine „gute Minute schneller“ gewesen als Youngster Gabius. Bei den Damen gewinnt wie erwartet Gitte Karlshoj (33:06), vierte wird Kirsten Nachtigall vom HSV.

„Ich laufe nie mit Frauen“, sagt Karlshoj, „die sind zu langsam“. Dagegen offenbart Sandra Wiska (1:12:26) Verblüffendes: „Ohne die Anfeuerung der Polizei hätte ich längst aufgegeben.“ Mike Liem

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