: Das Waldsterben am Straßenrand
In Berlin stirbt nicht nur der Wald, auch die Straßenbäume sind krank. Schuld sind fehlendes Wasser und Autoabgase
Kastanien mit rostbraunen Flecken oder Ahorne, die die Blätter vorzeitig fallen lassen – in Berlin ist mittlerweile jeder zweite Straßenbaum krank. Das haben Schätzungen aus Luftaufnahmen ergeben, sagt Bärbel Schwöbel, Expertin in der Umweltverwaltung von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Die Folge: Immer mehr Bäume müssten gefällt werden. Allein im letzten Jahr rückten die Mitarbeiter der Grünflächenämter 4.560 der insgesamt 410.000 Straßenbäumen mit Motorsägen auf den Stamm.
Bislang lagen in Berlin immer nur Meldungen über den Zustand der Waldbäume vor. Auch im Grunewald oder im Tegeler Forst steht es nicht allzu gut um die Bäume. Im Waldschadensbericht von vor drei Jahren zum Beispiel galten nur 28 Prozent des Berliner Waldbestands als gesund. 60 Prozent dagegen waren „leicht geschädigt“, bei 11 Prozent waren sogar Schäden bis zum Absterben der Bäume auszumachen. Einzig den Kiefern – mit einem Anteil von 50 Prozent Berlins Waldbaum Nummer 1 – geht es seit einigen Jahren besser.
Während bei den 3,5 Millionen Waldbäumen Berlins vor allem die hohe Schadstoffkonzentration in der Luft Ursache für die Schäden ist, kommt bei den Straßenbäumen noch chronischer Wassermangel hinzu, sagt Bärbel Schwöbel. Doch auch Hundeurin macht den Straßenbäumen zu schaffen. Durchschnittlich 0,7 Liter Hundeurin muss ein Baum täglich verkraften. Dabei werden die Wurzeln „richtiggehend verätzt“, weiß Hildegard Niedereher vom BUND. Gegen Urin helfe nur gießen. „Gut gegossene Bäume sind weit weniger anfällig als trockene.“
Doch die Appelle an die Berliner, im Sommer die Straßenbäume vor der eigenen Haustür zu wässern, versickern in der Regel ungehört. Für die Umweltverwaltung heißt die Devise deshalb auch am Straßenrand: Aufforsten. Den 4.650 gefällten standen im vergangenen Jahr 6.354 neu gepflanzte Bäume gegenüber. Doch das ist eine teure Angelegenheit. Eine Neupflanzung kostet zwischen 2.500 und 3.000 Mark.
In anderen Metropolen ist man übrigens zu nachhaltigen Lösungen übergegangen. Während in Berlin mit 36,5 Prozent immer noch die Linden dominieren, hat man in New York längst begonnen, nahezu ausschließlich Ginkgobäume neu zu pflanzen. Der Grund: Der uralte Kulturbaum wird nicht nur in Japan und China als heilig verehrt. Er ist darüber hinaus auch überaus resistent gegen Viren, Pilze und Bakterien. WERA
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