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„Es geht um den Gesamtimageumsatz“

Der Weltenbürger-Verein des VW-Konzerns präsentiert seinen Managern bei einem geselligen kulinarischen Zusammensein das Sahnehäubchen literarischer Interkulturalität. „Dem Unternehmen nutzt das eine ganze Menge“, meint der VW-Kommunikationsvorstand, Klaus Kocks

Den Konzern so darstellen, wie er dargestellt werden will

Interview EDITH KRESTA

taz: Der Weltenbürger e. V. in Hannover ist sozusagen eine hundertprozentige VW-Tochter. Eine Idee der PR-Abteilung. Sind die „literarischen Salons“ für VW-Beschäftigte des mittleren und oberen Managements Ihr Weg zur Corporate Identity?

Klaus Kocks: Der Kerngedanke ist: Wir wollten eine nichttheoretische, eine nichtideologische Diskussion darüber, was wirkliche Multikulturalität und was wirkliche Fremdheit ist.

Und das erfährt man in einer anspruchsvollen Vortragsreihe mit anschließendem üppigem Buffet?

Der Vorteil dabei ist, wenn Sie Literaturen präsentieren, dass Sie keinen theoretischen Vorlauf brauchen, auch nichts akademisch Abgehobenes, sondern Sie müssen einfach die Bereitschaft bei Leuten erzeugen, sich auf Literatur einzulassen. Und dazu suchen wir immer Schriftsteller, die schon mehrere Identitäten in sich vereinigen. Und die jede Deutschtumsdebatte, jede Authentizitätsdebatte allein schon durch ihre persönliche Präsenz aufheben.

Und das funktioniert?

Wir versuchen, die Leute dazu zu verleiten, dass sie sich auf Erfahrungen mit solchen Andersartigkeiten einlassen. Das sind zirka 300 Leute an einem Abend, aber sie sind eine feste Community, und es funktioniert.

Wer kommt denn zu Ihren Veranstaltungen

Die Hälfte aus dem Unternehmen, die andere Hälfte aus dem Umkreis des Unternehmens, also mittleres bis Topmanagement. Wir laden ein in der Kombination mit Essen und Trinken. Und es gibt Leute, die erst um vier Uhr nach Hause gehen.

Es wird ja spekuliert, dass die Leute nur wegen des Essens, des gesellschaftlichen Events kommen.

Das macht mir nichts. Ich bin tief in meinem Herzen Pädagoge, und unter welchem Vorwand ich die Leute schlauer mache, ist mir völlig egal. Das wird vielleicht als Sozialklimbim abgehakt. Aber für mich ist es kein Sozialklimbim, allenfalls politisch motivierter Hedonismus.

Politisch motivierter Hedonismus fürs Management?

Das ist ja kein Arbeiterbildungsverein, sondern richtet sich an Kleinbürgertum und Bürgertum. Ich habe deshalb keine Probleme damit, weil ich finde, dass man auch vom Bürgertum Verantwortung einfordern muss. Der Hinweis, dass Rassismus und Rechtsradikalismus nur eine Stammtischkultur sei, der ist ja nicht ehrlich. Auch in den früheren historischen Perioden gab es immer eine Korrespondenz zwischen dem Stammtisch und den Eliten. Und ich finde, man muss auch die Verantwortung der Eliten einführen.

Was hat ein literarischer Salon mit Verantwortung zu tun?

Sich mit den Dingen anders zu beschäftigen, als es der Bauch oder das Selbstverständnis zulässt. Außerdem sind alle Menschen in Großkonzernen ja Berufszigeuner. Da ist ohnehin viel unverarbeitete Erfahrung aus der kulturellen Verschiedenheit da.

Und diese Verschiedenheit machen solche Veranstaltungen transparent?

Die Person des Literaten wird erfahrbar. Es entsteht eine Aura. Und die Leute lassen sich auf unterschiedliche Positionen und Sichtweisen ein. Das gehört nicht zu dem, was auch die Leser Ihrer Zeitung von Managementkultur erwarten. Das ist auch normalerweise keine Managementkultur. Wenn der nette Abend wie ein Stadtheaterabonnement funktioniert, habe ich kein Problem damit.

Ein sehr enspannte Annäherung an das Fremde?

Ja. Und da wird nicht immer leichter Stoff präsentiert. Manche Leute, die eingeladen wurden, verstehe auch ich nicht. Aber genau das zeigt, dass viele Kulturen mit naiver Interpretation, allein mit Freundlichkeit und Einfühlungsvermögen, nicht erreichbar sind.

Und Ihre Manager haben die gleiche Toleranzschwelle wie Sie?

Nein. Manche haben nach einer Veranstaltung den Kopf geschüttelt und gesagt: „Was war das denn für ein Quatsch.“ Was man den Leuten auch lassen muss. Wir präsentieren ja so renommierte Leute, um den Anreiz, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen, zu erhöhen.

Sie präsentieren das Sahnehäubchen der literarischen Interkulturalität. Pflegen Sie damit Ihr Hobby als Germanist?

Im Endeffekt arbeitet ohnehin jeder in einem Leben noch einmal seine eigene Biografie ab, und bei mir spielt eine große Rolle: Ruhrgebiet, Montankultur; wie kann eine Industriekultur aussehen, welche Spielräume eröffnet sie? Außerdem geht es bei diesen Veranstaltungen nicht nur um Reichweiten, sondern auch um Intensität, um Begegnung. Mit einem der Schriftsteller zum Beispiel, Feridun Zaimoglu, ein völlig schriller Typ, bin ich bis jetzt persönlich befreundet. Wir haben viel Spaß miteinander. Er findet mich bescheuert, ich finde ihn bescheuert.

Sie jedenfalls scheinen von Ihren Veranstaltungen zu profitieren. War der Autor von „Kanak Attack“, Feridun Zaimoglu, auch sonst ein Erfolg?

Ja. Aber es hat auch Proteste gegeben. Wir haben eine relativ stramme Betriebsvereinbarung gegen Diskriminierung und Sexismus, und wenn Sie sehr wörtlich nehmen, was der Junge so schreibt, geht manches weit über den Grenzbereich dessen, was wir als betriebliche Äußerung zulassen würden. Es gab Frauen, die sich beschwert haben.

Assia Djebar, Juan Goytisolo, Ryszard Kapuscinski . . . Spielt das Geld eine Rolle, dass so renommierte Leute kommen?

Nein. Die werden ja auch nicht von VW direkt eingeladen, sondern von dem Weltenbürger-Verein. Damit möchte ich den Dichtern ersparen, direkt einen Industrievertrag annehmen zu müssen. Wir legen auch großen Wert darauf, dass die Programmdirektion vollständig von uns getrennnt ist.

Aber Sie zahlen doch auch nicht schlecht?

Keiner kommt wegen des Geldes. Wir bezahlen und übernehmen die Reisekosten, falls es verlangt wird.

Wer hatte die Idee für den Verein Weltenbürger?

Ich. Von mir war auch der Weltenbürger mit dem schönen Plural. Wir leben ja in einer kulturell relativ hegemonialen Welt.

Gibt es die Kultur der Sieger?

Ja selbstverständlich, reden Sie einmal mit den Ossis.

Und die verkörpert auch Ihr Unternehmen?

Als ich Abitur machte, da war der Begriff „multinational“ ein absolutes Schimpfwort. Damals stand der Begriff unter Imperialismusverdacht. Heute taucht der Begriff „multinational“ plötzlich positiv auf.

Vielleicht sehen Sie ihn ja auch nur aus Ihrem Blickwinkel, Ihrer Position positiv?

Nein. Die Frage ist, wie man Globalisierung diskutiert. Und auch unsere Veranstaltung ist ein Teil davon, wie man Globalisierung thematisiert. 95 Prozent unserer Zeit nutzen wir dazu, Autos zu bauen, mit 5 Prozent stellen wir uns der Debatte und beziehen Stellung zu den Globalisierungsfragen.

Wo beziehen Sie denn Stellung?

Indem wir sagen, es ist die Aufgabe aller Beteiligten, sich mit anderen Kulturen zu beschäftigen und gegen die sonst in den Medien herrschende Hegemonie bestimmter Kulturen auch andere Kulturen ernst zu nehmen. In solchen Konzernen sitzen ja alle Kulturen um den Tisch. Täglich.

Und was nützt Ihr Managerbildungsverein dem Konzern?

Eine ganze Menge, weil seine Mitarbeiter lernen, Kunden ernster zu nehmen, ihr Umfeld ernster zu nehmen, und sie lernen auch, politische Auseinandersetzungen, die möglicherweise draußen toben, besser zu verstehen. Das ist wichtig für die Arbeit im Ausland, aber auch für die Wahrnehmung des Unternehmens von außen.

Sie bereiten sozusagen auf einen sanften Kolonialismus vor?

Das ist ein ideologisch verhängnisvoller Begriff. Insofern Kompliment, ich versuche mich gerade dagegen zu wehren. Aber ja, da ist was dran. Und immer wenn ein Unternehmen Geld ausgibt, steht das in irgendeinem Verhältnis zum Geschäftsfeld. Ich bin kein Goethe-Institut.

Sie beugen mit Weltenbürger dem Image des hässlichen multinationalen Konzerns vor?

Natürlich. Ich stehe in der Debatte anders da als in dem klassischen Feindbild. Dann kann man sagen, das ist eine Alibiveranstaltung. Sie können sagen, das kompensiert das andere nicht. Wir sind das Unternehmen mit einer eindeutigen Vorgeschichte. Und wir haben, was Internationalität angeht, eine höhere Nachweislast als andere. Man kann nicht deutscher sein als die Vorgeschichte von VW.

Was ist denn Ihre Vorgeschichte. Ein bisschen 68?

Ja.

Ruhrgebiet?

Ja und miners boy.

Sie haben es also geschafft?

Ja.

Sie haben Ihren eigenen bürgerlichen literarischen Salon etabliert?

Also, es gibt einen eigenen Drive, das sehe ich auch bei Freunden, bei dem, was im Englischen working class hero heißt. Da ist tief der Impuls drin, Recht haben zu wollen. Also nicht mit dem goldenen Löffel geboren zu sein, aber Recht haben zu wollen

Und Sie sind ein working class hero?

Na ja. Aber es gibt schon eine Faszination, eine Hassliebe zur Macht. Wissen ist Macht. Das war immer eine historische Parole der Arbeiterbewegung. Es war immer ein Anliegen der Sozialdemokratie, den Eintritt in die exklusive Kultur des Bürgertums zu ermöglichen. Und darum waren die Jungs und Mädels, die so gestrickt waren, auch fleißiger im Studium als andere. Und sie sind auch nicht Rechtsanwälte und Zahnärzte geworden, sondern zu ihrem eigenen Verhängnis Deutschlehrer oder etwas Ähnliches.

Auch Sie waren Deutschlehrer?

Ja.

Und dann sind Sie PR-Mann geworden und wollen heute die Außenwahrnehmung eines Großunternehmens polieren?

Es geht um den Gesamtimageumsatz. Wenn darüber geschrieben und geredet wird, so positioniert das natürlich auch Volkswagen als Unternehmen. Und das ist einfach PR: den Konzern so darzustellen, wie er dargestellt werden will. Das hat einen funktionalen Wert für das Unternehmen. Es hilft, Ausgrenzung zu vermeiden. Der PR-Mann ist in so einem Spiel der Grenzgänger.

Sehen Sie sich als Agent für die richtige Sache auf der falschen Seite?

Das finde ich wunderbar. Foucault nennt das „kulturelle Attacke“. Sie hat etwas Entscheidendes: Sie entgrenzt die Eliten. Das führt aus den angelernten Freund-Feind-Schemata heraus. Jetzt kann ich nicht erwarten, dass ich, wenn ich Grenzverletzung begehe, von der gegnerischen Partei gelobt werde. Aber wenn Sie keine Grenzverletzung begehen, werden Sie nicht wahrgenommen. Ich bin PR-Mann.

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