: Die Operation ist Top secret
von SABINE HERRE und MARIUS ZIPPE
Wenn gepanzerte Militärtransporter vom Typ „Duro“ von nun an vermehrt auf den Straßen Hannovers zu sehen sind, ist daran nicht die Bundeswehr schuld. Eigentümer ist stattdessen das niedersächsische Geld- und Werttransportunternehmen Heros, eine von vielen Sicherheitsfirmen, die heute mit der Verteilung des Euro beginnen. Mit fünf neuen Panzerfahrzeugen will Heros sich vor Überfällen schützen. „Niemand in der Branche geht ernsthaft davon aus, dass die Transporte schadensfrei ablaufen“, versucht der Eurobeauftragte bei Heros, Christian Neumann, die Anschaffung zu rechtfertigen.
Ob das neue Geld wirklich in Militärfahrzeugen transportiert werden muss, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Aus über 150 streng geheimen Depots, in denen die Scheine zum Teil schon seit 1999 lagern, werden sie bis Ende Dezember von den Landeszentralbanken an Sparkassen und Privatbanken verteilt. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen fiel der Startschuss freilich schon am Samstag. „Seit sechs Uhr rollte der Euro“, teilte der Leiter der zentralen Münzbetriebstelle der Landeszentralbank in Hannover mit. Sattelschlepper begleitet von Sicherheitsfahrzeugen machten sich mit in Holzkisten verpackten Euromünzen auf den Weg zu den Kreditinstituten. Wie viel Geld sich in den Lastwagen befindet, wie schwer die Ladung ist und welches genaue Ziel sie haben, all das ist streng geheim. Und: Vor dem Ort der Münzlager stehen zwar Fotografen und Kamerteams. Sie müssen sich jedoch an strenge Auflagen halten: Die Adresse der Lager darf nicht veröffentlicht werden. Ein Sprecher der LZB: „Das hat auch der Deutsche Presserat empfohlen.“
Anfassen konnte man das neue Geld am Wochenende freilich nur in Bochum und einigen Städten Mecklenburg-Vorpommerns. Obwohl die Banken verpflichtet sind, das Geld bis 1. Januar fest verschlossen zu halten, machten die Landeszentralbanken hier eine Ausnahme. Aber auch die Geschäftskunden der Banken aus Handel, Industrie oder dem Dienstleistungsgewerbe werden das neue Geld nun bald in der Hand halten, sie dürfen seit 1. September von ihren Banken je nach Bestellung mit Münzen und Scheinen beliefert werden.
Der Geldumtausch ist ein logistischer Kraftakt, bei dem in Deutschland 2.100 gepanzerte Fahrzeuge wahre Geldberge versetzen werden. 2.500 Geldtransporte gab es bisher täglich, nun sollen es bis zu 4.700 sein. Sieben Tage in der Woche werden sie unterwegs sein. Allein während des Frontloadings müssen 2,6 Milliarden Banknoten und 10,8 Milliarden Münzen im Wert von knapp 64 Milliarden Euro in 60.000 Zweigstellen gebracht werden. Diese müssen in der Silvesternacht dann 13.000 Bankautomaten mit den neuen Scheinen füllen. In den 12 Staaten der Eurozone zusammen werden rund 14,5 Milliarden Banknoten verteilt: ihr Gesamtwert 616 Milliarden Euro.
Mit der vorzeitigen Ausgabe des Euro wollen die Banken die befürchteten Chaostage zur Währungseinführung am 1. Januar verhindern. Decken sich viele Geschäfte erst auf den letzten Drücker mit Euros ein, könnte es an den Bankschaltern turbulent werden. Vor allem größere Kunden sind angehalten, möglichst zeitig größere Eurovorräte zu ordern. „Das entlastet uns bei der Währungsumstellung zum Jahreswechsel“, sagt Katja Damm von der Bankgesellschaft Berlin. Auch die Bundesbank hofft, dass etwas weniger als die Hälfte der Euros schon bis Silvester ausgeliefert ist. Die Logistik der Transportunternehmen steht dann jedoch vor einer weiteren Bewährungsprobe: Denn bis Ende Februar müssen 265 Milliarden Mark bei den Banken eingesammelt werden.
Ein Gewinner des langwierigen Währungswechsels scheint schon festzustehen: Die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) rechnet mit kräftig steigenden Umsätzen bei ihren Mitgliedsfirmen. Lag der Umsatz im letzten Jahr bei 600 Millionen Mark, so sollen es 2001 bis zu 100 Millionen mehr sein. Für die erwartete Auftragsflut hat die Branche zusätzlich zu ihren 8.000 Mitarbeitern mehr als 1.000 Aushilfskräfte eingestellt, neue Geldzählmaschinen gekauft und in die Sicherheitstechnik investiert. Zu denken gibt dem BDGW aber die steigende Zahl von Angriffen auf Geldtransporte in diesem Jahr. Registrierten die Statistiker im Durchschnitt 13 Raubüberfälle auf Geldboten jährlich, so sind es in diesem Jahr schon 12. Tote gab es zwar nicht, aber die Räuber waren nicht zimperlich. Eines der jüngsten Beispiele ist der Überfall auf einen Düsseldorfer Geldtransporter im Mai, wo der Fahrer mit vorgehaltener Panzerfaust gezwungen wurde, seinen Wagen zu öffnen.
Dass die Verbrechenshäufung gerade in diesem Jahr zufällig ist, glaubt man beim BDGW nicht. Vielmehr, erklärt der zuständige Referatsleiter Martin Hildebrandt, gibt es zwei Thesen, die die vielen Überfälle erklären sollen. Zum einen könnten Kriminelle noch einmal zugeschlagen haben, weil sie vermuten, dass ab September die Sicherheitsvorkehrungen bei Transporten erhöht werden. Zum anderen sei es auch möglich, dass an normalen Geldtransportern einfach nur trainiert werde, wie diese zu knacken sind, bevor bei der Euroumstellung die ganz großen Coups gelingen könnten.
Ob die Sicherheitsunternehmen am Ende der Eurotransportes tatächlich einen zusätzlichen Gewinn gemacht haben werden, wird so immer fraglicher. Sorgen bereiten der Branche vor allem die Versicherungen, die auf Grund der gestiegenen Zahl an Transporten ihre Prämen drastisch erhöht haben. Sie liegen, so der BDGW, teilweise um 300 Prozent über dem bisherigen Niveau. Die Zusatzkosten wollen die Transportunternehmer wie kaum anders zu erwarten an ihre Kunden, die Banken, weitergeben. Doch darüber muss erst noch verhandelt werden.
Der Polizei bereitet dagegen die hohe Zahl der bei den Transportunternehmen neu angestellten Sicherheitsbegleiter Sorgen. Denn viele von ihnen werden aus Mangel an Zeit nicht gründlich ünberprüft. Laut Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sind aber alle großen Raubüberfälle der Vergangenheit durch „Insiderwissen“ möglich geworden.
Auf die gespannte Sicherheitslage und die große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bei den Eurotransporten reagieren die Geldtransportunternehmen völlig unterschiedlich. Die Sprecherin eines großen deutschen Sicherheitsdienstleisters lehnt jeden Kommentar über die anstehenden Eurotransporte ab. „Sicherheit geht vor Publicity, auch wenn es schade ist.“ Nicht einmal der Name des Unternehmens soll im Zusammenhang mit der Währungsumstellung genannt werden. Firmen wie Heros verfolgen dagegen eine Philosophie der Abschreckung. Das Unternehmen kündigte an, die neuen Duro-Militärtransporter von bis zu zehn bewaffneten Begleitern schützen zu lassen.
In der Branche gilt solches Säbelrasseln als übertrieben. „Alles Showeffekte“, schätzt Oliver Seiter vom konkurrierenden Düsseldorfer Sicherheitsunternehmen Securitas ein. Den Einsatz der Duros bei Heros hält er für „untauglich“. Aus seiner Sicht stellten die Fahrzeuge ein zusätzliches Sichheitsrisiko dar, weil Gangster in ihnen noch mehr Geld vermuten könnten, als sie wirklich transportierten. Seine Firma, die nach eigenen Angaben immerhin 35 Prozent des Bargeldumtauschs in den nächsten Monaten abwickeln wird, halte sich an Bewährtes. Für die Erledigung der Aufträge stehen 790 herkömmliche Panzerfahrzeuge bereit. Dabei setzt Securitas auf „geheime Fahrtrouten und kurzfristige Terminabsprachen mit den Kunden“. Größere Transporte würden von zwei bis drei bewaffneten Mitarbeitern begleitet. Das ist nichts Neues, sondern der gewohnte Ablauf, erklärt Seiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen