Podewil lagert Künstler aus

Es steht fest: Bagger werden den Innenhof des Kulturzentrums aufreißen – für eine Tiefgarage. Baustelle und Lärm bescheren dem Land selbst verschuldete Verluste

Sechsundzwanzig Bäume, manche fast dreißig Jahre alt, bekommen in den nächsten Wochen die Kettensäge zu spüren

Wahrscheinlich säße Alice Ströver gerne anderswo. Jedenfalls nicht hier, im baumbeschatteten Innenhof des Podewil an der Klosterstraße. Beschwörend redet die Staatssekretärin des Kultursenats auf die erbosten Künstler ein, benennt „gravierende politische Fehler“ ihrer Vorgänger und sagt dann, was schon alle wissen: „Es ist ein verlorener Kampf. Die Situation ist entschieden.“ Die Hallesche-Nationale Versicherung wird die Tiefgarage also bauen – wenige Meter unter den Stuhl von Ströver, die kleine Bühne, die Stühle des Freilicht-Kinos und unter die Terasse des Hausitalieners.

26 Bäume, manche fast 30 Jahre alt, bekommen in den nächsten Wochen die Kettensäge zu spüren. Zwar soll nach Plan alles – wesentlich sparsamer begrünt – bis Juni 2002 wieder nutzbar sein, trotzdem ist der plötzliche Baubeginn für das Podewil katastrophal: Viele der kommenden Konzerte, Lesungen und Proben drohen im Baggerlärm unterzugehen. „Das Programm wird weiter laufen. Alles andere wäre unser Tod“, sagt Podewil-Geschäftsführer Wilhelm Großmann.

Demnächst will er deshalb Räume im Schiller Theater besichtigen, in die lärmgeplagte Künstler ausweichen könnten. Mit anderen Theatern rede man gerade über weitere Alternativen, so Großmann. Die Kosten der Anmietungen seien noch nicht absehbar. Sicher scheint jedoch ein Verlust von rund 60.000 Mark durch sinkende Mieteinnahmen.

Trägerin des Podewil ist die vom Senat gegründete Berliner Kulturveranstaltungs-GmbH, die sich zum Teil durch Landesgelder finanziert. Eine Mitschuld des teuren Dilemmas trägt auch der frühere Senat. Bereits vor zwei Jahren kaufte die Hallesche-Nationale Versicherung das Nachbarhaus des Podewil. Mit dem damaligen Senat handelte sie auch die Option auf die Tiefgarage aus. Das Bezirksamt Mitte erteilte dann die Baugenehmigung Anfang Juli dieses Jahres. Viel zu spät für das Podewil, um den aktuellen Programmplan noch umzustellen. Der Stuttgarter Konzern sieht sich jedenfalls im Recht. Durch die lange Verzögerung habe man schon rund eine Million Mark eingebüßt, sagt Martin Kaulitz, Prokurist der Halleschen-Nationalen.

Für ihn ist ein weiterer Aufschub undenkbar: „Es geht auf jeden Fall los, so ist es vereinbart.“ Die Künstler des Podewil planen dennoch weiteren Protest: Ab Montag wollen sie täglich im Innenhof frühstücken und der Presslufthämmer harren, die da kommen.

ULRICH SCHULTE