Schill-Urteil vertagt

Kein Freispruch für Hamburger Richter und Rechtspopulisten Ronald Schill. Entscheidung erst nach der Wahl. Schill: „Jetzt erst recht“ Senator werden

aus Leipzig ELKE SPANNER

Der wegen Rechtsbeugung angeklagte Hamburger Richter und Kandidat der Partei der „rechtsstaalichen Offensive“, Ronald Schill, geht nicht als freigesprochener Mann in die Bürgerschaftswahl am 23. September. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig verwies den Fall an das Landgericht Hamburg zurück.

Dort muss nun eine weitere Kammer darüber verhandeln, ob Schill eine Rechtsbeugung begangen hat, als er 1999 als Amtsrichter während eines Prozesses zwei Zuschauer inhaftieren ließ und deren Haftbeschwerde erst fast drei Tage später bearbeitete. Das Landgericht hatte ihn dafür im Oktober zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Mark verurteilt. Sowohl Schill als auch die Staatsanwaltschaft hatten Revision eingelegt.

Der BGH stand erheblich unter Druck. Von höchster Stelle wurde ein Freispruch verlangt: Es gebe Sachverhalte, die nach allgemeinem Verständnis eigentlich strafbar sein sollten und es streng juristisch wiederum doch nicht seien, sagte ein Bundesanwalt. „Was man auch von dem Verhalten Ronald Schills denken mag: Eine Bestrafung kommt nicht in Betracht.“

Dieses Votum hatte auch Generalbundesanwalt Kay Nehm im Vorfeld der gestrigen Verhandlung vor dem BGH abgegeben und Freispruch für Schill beantragt. Der angeklagte Hamburger Amtsrichter kam deshalb siegesgewiss nach Leipzig.

Schill hatte seinen Prozess im Vorfeld politisiert. Nach der Wahl in der Hansestadt möchte er Innensenator werden. In Umfragen liegt seine Partei der „rechtsstaatlichen Offensive“ bei rund 15 Prozent. CDU-Oppositionsführer Ole von Beust hat bereits angekündigt, mit dem Rechtspopulisten koalieren und diesen zum Senator küren zu wollen.

Nach der Verurteilung durch das Hamburger Landgericht im Oktober hatte Schill dem rot-grünen Senat unterstellt, die Richter unter Druck gesetzt zu haben, um seine politische Karriere zu vereiteln. Nach dem Freispruchsantrag von Generalbundesanwalt Nehm Ende Juni schien dann sicher, dass Schill die Endrunde des Wahlkampfes als Märtyrer bestreiten würde: Als unschuldig Verfolgter, an dessen Fall sich „der Kollaps der rot-grünen Politik offenbart“.

Umso überraschender war die gestrige Entscheidung. Der BGH-Senat sei sich uneins über den Fall, verkündete die Vorsitzende Richterin Monika Harms schon zu Beginn und warf juristische Zweifelsfragen auf: Bei der Rechtsbeugung müsste der Täter einen schwer wiegenden Verstoß gegen das Gesetz begangen haben. Der sei fraglich, da Schill die Haftbeschwerde immerhin noch innerhalb von drei Tagen bearbeitet hatte. Andererseits könnte es als besonders schwer wiegend ansehen, wenn Schill die Frist bewusst in der Absicht ausreizte, die Gefangenen so lange wie möglich in Haft zu behalten.

Obwohl Schill nicht freigesprochen wurde, behauptete er gestern, „erleichtert in den Wahlkampf zu ziehen“. Immerhin habe der BGH einen neuen Prozess verlangt, weil das erste Urteil rechtsfehlerhaft gewesen sei. Schill will weiter Innensenator werden: „Jetzt erst recht.“