: Schily plant Islamistenverbot
Innenminister will Vereinsgesetz ändern. Fundamentalistische Vereinigungen sollen sich nicht als Religionsgemeinschaft „tarnen“ dürfen. Im Visier: antiisraelische Vorbeter islamischer Zentren
KÖLN/BERLIN taz ■ Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat ein neues Mittel im Kampf gegen den islamischen Fundamentalismus entdeckt: das deutsche Vereinsrecht. Mit einer Änderung des Vereinsgesetzes will Schily „die Möglichkeit schaffen, extremistische Vereinigungen zu verbieten, die sich als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften tarnen“.
Bislang hätten sich solche Gruppen unter dem Deckmantel des Religionsprivilegs Verboten entziehen können. Der Grund: das „Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts“. Darin heißt es, dass „Religionsgemeinschaften und Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen“, nicht wie andere Vereine verboten werden können – eine Regelung, die Schily seit längerem für „antiquiert“ und für ein „enormes Hindernis“ im Kampf gegen extremistische Gruppen hält. Schily will deshalb dieses Religionsprivileg ersatzlos streichen. Dies erklärte eine Ministeriumssprecherin gestern der taz.
Der jetzt fertig gestellte Gesetzentwurf müsse allerdings noch mit den Bundesressorts und den Ländern abgestimmt werden, teilte das Ministerium mit. Danach solle er in den Bundestag eingebracht werden. Die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung begründete das Ministerium mit dem zunehmenden Auftreten einer „fundamentalistisch-extremistischen Szene“ unter einigen Anhängern des Islam in der Bundesrepublik. Namentlich gelte das für „Vorbeter islamischer Zentren“, die unter anderem gegen Juden und den Staat Israel agitierten. So riefen Imame dazu auf, „jüdische Terroristen“ und „amerikanische Hunde“ zu vernichten und jüdische und US-amerikanische Geschäfte in der Bundesrepublik zu boykottieren. Sie forderten, den Krieg in Palästina mit allen Mitteln zu unterstützen. Hier würden Propaganda und Agitation betrieben, „die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“ – geschützt vom bisherigen Religionsprivileg des Vereinsgesetzes.
Besonders in Schilys Visier: der in Köln ansässige „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) Metin Kaplans. Der selbst ernannte Kalif, zuvor bereits wegen antisemitischer Äußerungen vor Gericht, war im November 2000 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er öffentlich zur Ermordung eines Rivalen aufgerufen hatte. Sein rund 1.100 Mitglieder starker „Kalifatsstaat“, hervorgegangen aus dem von seinem Vater gegründeten „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V.“ (ICCB), strebt einen islamischen Gottesstaat nach iranischem Vorbild an und fordert bedingungslose Gefolgschaft. Während ihr Anführer im Gefängnis sitze, betreibe dessen Organisation weiter „übelste antisemitische Hetze“, so das Innenministerium.
Gegen solche Aktivitäten habe bisher nur mit Mitteln der Strafverfolgung oder mit individuellen ausländerrechtlichen Betätigungsverboten vorgegangen werden können, jedoch nicht mit einem Organisationsverbot. Das solle nun geändert werden.
PASCAL BEUCKER
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