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Bestätigung aus der Mitte

■ Rechtes Denken: Ein Interview mit Christoph Butterwegge

Die „Themen der Rechten“ seien längst die „Themen der Mitte“, erklärt Christoph Butterwegge. Der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln untersuchte aktuelle Diskurse in der Mitte der Gesellschaft. Am Montag stellt er bei Regenbogen seine Studie vor. Wir sprachen mit dem Autor.

taz hamburg: Hat sich das politische Klima in der Bundesrepublik nach rechts verschoben?

Christoph Butterwegge: Die Situation ist ambivalent. Einerseits ist zu beobachten, dass rechte oder ultrarechte Diskurse in die Mitte wandern. Was Rechtsextreme vor Jahren thematisierten, haben etablierte Kreise der Gesellschaft übernommen. Andererseits aber ist wahrzunehmen, das sich zunehmend Protest gegen die Globalisierung festigt. Die Auflösung der Grenzen nach rechts sind jedoch offensichtlich.

Sie haben Debatten am rechten Rand und in der Mitte der Gesellschaft verglichen ...

Butterwegge: Ja. Mittels sprachanalytischer und diskurstheoretischer Methoden war eine zunehmende Überschneidung festzustellen. Erinnert sei nur an die „Leitkultur“- und „Kinder-statt-Inder“-Debatten. Aber auch der laufende Demographiediskurs um den Bestand des deutschen Volkes, ist ein Beispiel. Das traditionell eher extrem rechts besetzte Trauma, dass das deutsche Volk ausstürbe, wenn nicht genügend deutsche Babys geboren würden, kann man mittlerweile im Spiegel, in der Zeit – und im Focus sowieso – lesen.

Wirkt das geplante Einwanderungsgesetz dem Prozess entgegen?

Butterwegge: Der Gesetzentwurf macht vielmehr deutlich, das Zuwanderung zunehmend unter dem Aspekt „nützliche und unnütze Ausländer“ diskutiert wird. Nicht anhand humanitärer, sondern hauptsächlich anhand ökonomischer und demographischer Gesichtspunkte soll die Zuwanderung geregelt werden – so wie es Teile der Rechten schon lange gefordert haben.

Können sich die rechten Parteien dadurch bestätigt fühlen?

Butterwegge: Dies ist verstärkt zu beobachten. Nationalistische und rassistische Äußerungen von Politikern oder Publizisten, die dem demokratischen Spektrum zuzurechnen sind, werden aufgegriffen und als Bestätigung zitiert. Darauf gestützt, treiben sie dann wiederum die Mitte vor sich her und versuchen, weitere Diskurselemente zu verankern. Die Re-Nationalisierung der politischen Kultur durch die Mitte der Gesellschaft beschleunigt dies und schafft beste Entfaltungsmöglichkeiten für die Rechten.

Interview: Andreas Speit

Buchpräsentation: Montag, 19 Uhr, Hamburg Haus (Doormannsweg 12)

Christoph Butterwegge: Themen der Rechten – Themen der Mitte. Hg. Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretung NRW (Helmholtzstr. 28, 40215 Düsseldorf), Düsseldorf 2001, 50 S. Kostenlos zu bestellen beim Herausgeber

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