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Aktien immer tiefer

Dax unter 4.800 Punkten. Telekom von schlechten UMTS-Nachrichten aus England getroffen. Börsianer warten nur noch entsetzt, was passiert

von BEATE WILLMS

Es war wieder die T-Aktie, bei der den Aktionärsschützern der Geduldsfaden riss. Als das Papier der Deutschen Telekom gestern morgen kurzzeitig auf 14,81 Euro fiel – nur noch wenige Cent über dem Ausgabepreis von 14,32 Euro –, schoss Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) los: „Da müssen doch personelle Alternativen zu Ron Sommer gefunden werden.“ Dass die Kleinaktionärsvertreterin so schnell aus der Haut fuhr, dürfte auch an der derzeitigen Gesamtsituation auf den Aktienmärkten liegen, die sich auch gestern nicht entspannte. So stürzte sich der Dax der 30 größten deutschen Unternehmen nach dem Absacker vom Vortag gestern Morgen zunächst im Zehnminutenabstand auf neue Tiefststände und landete am Nachmittag nach der Veröffentlichung schlechter Arbeitsmarktzahlen aus den USA weit unter der 4.800-Punkte-Grenze – so niedrig lag er zuletzt vor etwa zweieinhalb Jahren.

„Alle normalen Messlatten funktionieren nicht mehr“, hieß es bei den Analysten einer großen Bank. Längst würden nicht mehr nur Hightech-Werte verkauft. Auch substanzstarke Titel der Old Economy von Allianz bis Siemens kämen zu Tausenden auf den Markt.

Am leichtesten zu erklären fiel den Experten dabei gestern der Kursverlust der Telekom, zu deren Schuldenproblem eine neue Hiobsbotschaft kam. Die britische Vodafone erklärte, dass der neue Mobilfunkstandard UMTS, für dessen Lizenzen die Telekommunikationsunternehmen mehrstellige Milliardenbeträge ausgegeben hatten, anfangs kaum für Multimedia-Anwendungen in Frage komme. Ohne die Möglichkeit, Musik und Video zu übertragen, ist das ohnehin teure und offenbar auch noch zu langsame UMTS aber kaum zu verkaufen.

Die düstere Stimmung rund um die Telekom passte in das Börsengeschehen der Woche, in der jede schlechte Nachricht Konsequenzen nach sich zu ziehen schien, während Informationen über erste positive Frühindikatoren aus den USA offenbar nicht zählten. Damit setzte sich der Trend vom August fort, als die Dax-Unternehmen allein 100 Milliarden Euro an Börsenwert verloren. Seit dem Dax-Allzeithoch vom März 2000 summieren sich die Verluste damit auf 330 Milliarden Euro.

Am härtesten traf es diesmal das Softwareunternehmen SAP, das am Donnerstag 9,7 Prozent verlor, weil US-Konkurrent Manugistics seine Gewinnprognose revidiert hatte. Dabei ist Manugistics nur begrenzt mit der deutschen Firma vergleichbar: Es ist viel kleiner, nur in den USA tätig und macht Software ausschließlich für Zulieferer.

Neben den Technologietiteln, von denen man schon nichts anderes mehr erwartet, befinden sich derzeit aber auch Finanz- und Bankenpapiere im Abwärtstrend. Branchenkenner erklärten das mit erwartbar miserablen Geschäftsberichten, zumal die Lage am Aktienmarkt die Provisionen drücke und die kriselnde Konjunktur die Kreditausfallrisiken erhöhe.

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