: Wahlkämpfers Kummerkasten
Liebe Heike Sudmann,
wenn, nur mal so theoretisch angenommen, der Regenbogen den Sprung in die Bürgerschaft nicht schaffen sollte, dann könnte, ja dürfte es am Marketing gelegen haben. Denn wer will ernsthaft, dass Leute über das Schicksal einer Weltstadt bestimmen, die sich so plakatieren lassen, als kandidierten sie für die Schülervertretung an der Ida-Ehre-Gesamtschule? Sie als Spitzenkandidatin mit den stilisierten Reißzähnen und den erigierten Haaren – das nährt den Verdacht, euer Pressesprecher habe sein Kind mal zwei Stunden mit gelben Malstiften im Büro allein gelassen.
Nichts gegen die Ästhetik von Elaboraten studentischer Politlisten, die in den 70er Jahren leider kein Geld für einen professionellen AStA-Wahlkampf zur Verfügung hatten, aber auf der Matritze dann doch noch ihr Konterfei in Kratzbürstentechnik einritzten. Aber dies ist eine Landtagswahl, und die Leute müssen irgendwie mitgerissen werden, zum Regenbogen zu gehen – ist schließlich kein Selbstläufer. Der Schill könnte sich locker mit gelben Haaren ablichten lassen oder vielleicht gar mit einem Menjou-Bärtchen, aber Regenbogen muss doch auch was für die Optik tun.
Nehmt euch ein Beispiel an SPD-Olaf Scholz, der letztens das Polizeibrot der Bäckerei Kamps (dreieckiges Schwarzbrot mit der Banderole „Polizei“) unters Volk gebracht hat. Das ist Wahlkampf, der groß ist. Wenn aber selbst die geneigte Zielgruppe beim Anblick Norbert Hackbuschs mit Walrosszähnen ein gar schmerzhaftes Ziehen in der eigenen Kiefergegend verspürt und jede zweite Unterhaltung über die Wahl irgendwann zu dem Punkt kommt, wo irgendwer garantiert sagt: „Aber diese Plakate vom Regenbogen, die sind echt schlecht“, dann ist das wahrhaft haarsträubend. Es gibt genug Gründe, Regenbogen bei der Stimmabgabe wohlwollend in die engere Auswahl zu nehmen. Die Plakate sind es nicht. aha
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