: Archiv der Erfinder
■ Tausend und abertausende von Erfindungen listet das Patent- und Normenzentrum an der Bremer Hochschule auf / Ein Schatz voll von Erfindungsreichtum
Die Mensa liegt weiter hinten. Erfinder kommen aber wahrscheinlich selten so weit. Sie biegen gleich vorne links ab, die Glastür auf und geradewegs an die Rechner des Patent- und Normenzentrums der Bremer Hochschule. Dahin, wo sich beinah sämtliche Gipfel deutscher Erfindungskunst aufspüren lassen. Für Bremens Denker und Denkerinnen ein Ort geistiger Nahrung, „wie eine Bibliothek, ein Archiv, sagt sein Leiter Joachim Ries. „Ein Schatz für uns Erfinder“, sagt Nutzer Burkhard Suthoff.
Gerade noch 20 solcher Patentzentren gibt es in der Republik. Zumeist sind das erste Anlaufstellen für Erfinder, Privatpersonen, Geschäftsmenschen, die dort wichtige Informationen auf dem Weg zum eigenen Patent finden. Leute eben „mit einer Idee, die glauben, dass sie damit ein Geschäft machen können“, sagt Joachim Ries.
1896 war die Geschäftsidee zum Beispiel ein „Befestigungsschluss für Hosenstege“, den ein Dr. R. Magnus aus Königsberg erfunden hatte. Nachzulesen im Patentblatt desselben Jahres (Band II), das bis heute die Anmeldungen und Erteilungen zum Patent auflistet. Solche in Buchform und Altdeutsch gepressten Mitteilungen reihen sich die Wände entlang in meterhohen Regalen des Patentzentrums. Heute blättert man nicht mehr durch die Patente. Heute lässt man den Computer in den Datenbanken suchen.
Und da finden sich dann so moderne Einträge wie den von STN Atlas 1991 in Bremen eingereichten: „Verfahren zum Lenken eines mit Zielsucheinrichtung versehenen Körpers“. Auch die einzelnen deutschen Patentrechte zu Donald Duck und McDonalds (vom Service bis zum Unterrichtsmaterial für Franchise-Restaurants) sind dort mit Skizzen aufgelistet.
Möglicherweise gibt es aber nicht nur einen Erfinder mit Ideen zu lenkbaren Körpern, Schnellrestaurants und Comic-Enten. Hat man annähernd die gleiche Idee entwickelt, kann man seinen Eintrag beim Deutschen Patentamt vergessen. Meist weist der Controll-Check im Patentzentrum aber auch Wege, welche anderen Enten- und Lenkvarianten noch frei und zu erfinden sind.
Rund 1.000 BesucherInnen schürfen hier jedes Jahr nach bereits bestehenden Einträgen der Ideenkonkurrenz. „Bei rund zwei Drittel müssen wir nachhelfen“, meint Ries. Nur gut 400 Bremer Ideen sind gleich patentfähig und mit anfangs 1.000 Mark Gebühren auch zu verwirklichen.
Wobei Bremer weder im allgemeinen noch im Bundesvergleich sonderlich auffallen mit Erfin-dungsreichtum. Bremen findet sich eher im hinteren Ende der Statistik, sagt Ries. Betont aber, dass das im Umkehrschluss nicht heiße, dass BremerInnen weniger erfinden. „Viele Firmen haben ihren Konzernsitz nicht mehr hier.“ DaimlerChrysler beispielsweise hat in Stuttgart eine eigene Patentabteilung, die die Verfahren abwickelt.
Die Geschichte der patentierten Erfindungen ist aber vor allem eine Anhäufung von Unmengen an Papier. „Tonnenweise Papier“ sagt Ries, haben man früher hier gehortet. Die Informationen des Kaiserlichen Patentamts hatte man dann irgendwann in den Keller gepackt und noch später dem Altpapier übergeben. Nach spätestens 20 Jahren sind die Patente eh hinfällig.
Abgelöst wurden die Papier-Mitteilungen von Lochkarten mit Mikrofilm. Jede Woche wurden zwei Arm voll solch großer Karteikarten ins Haus geliefert mit den neuesten Patent-Anmeldungen. Noch etwas später wurden die ersten Datenbanken installiert. Inzwischen verschickt das Deutsche Patentamt in München jede Woche eine oder zwei CD-Roms mit den neuesten Einträgen. Auf die man demnächst dank Internet-Recherche ganz verzichten können wird. Ende der Papier-Patente.
Dorothee Krumpipe
Diesen Sonntag findet der zweite Erfinder-Kongres sstatt. Auf dem Gelände von Hassouna Forschung, Burgunderweg 7, Varrel. Hotline 04221–93 23 20. Eintritt frei.
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