: Tierschutzbund fühlt sich vergackeiert
■ Ist Henning Scherf ein „Hühnerschänder“? Das findet der Tierschutzbund und fürchtet, dass das Verbot der Käfighaltung im Bundesrat an Bremen scheitern wird
Am 19. Oktober stimmen die Bundesländer über das Verbot der Käfighaltung von Hühnern ab. Weil eine Mehrheit dafür aber noch nicht sicher ist, prangert der Deutsche Tierschutzbund diejenigen Ministerpräsidenten an, die gegen ein Verbot sind. Motto dieser bundesweiten Plakataktion zum Welttierschutztag am 4. Oktober: „Freie Hühner braucht das Land“.
Wolfgang Apel, der Präsident des Tierschutzbundes und Vorsitzende des Bremer Tierschutzvereins, befürchtet, dass Bremen sich der Stimme enthalten könnte, weil der Koalitionspartner mit Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) gegen das Verbot sei. Bei einem Patt haben SPD und CDU Stimmenthaltung im Bundesrat verabredet. Das wäre ein Kniefall vor der Agrarlobby und eine Abkehr von der beim Bund geplanten Agrarwende, schimpft Apel: „Wenn wir nicht mal bei den Legehennen endlich eine Verbesserung schaffen, brauchen wir es für die Schweine und Rinder gar nicht erst zu versuchen.“
Inbesondere Henning Scherf wird von ihm als opportunistisch kritisiert. Noch 1997 habe der Bremer Regierungschef so ein Verbot unterstützt, jetzt werde er es womöglich verhindern. Seinetwegen müssten Hühner leiden und deswegen sei auch Scherf ein „Hühnerschänder.“
Um den Senat unter Druck zu setzen, enthüllte Apel gestern das Plakat für die Kampagne in Bremen. Unter der Zeile: „Ihr Bürgermeister will Hühnerkacke!“, ist ein Huhn in Lebensgröße abgebildet. Es hockt auf einem kleinen weißen Rechteck, so groß wie sein Käfig und das ist kleiner als ein DIN-A4 Blatt. Ein schmaler roter Rand veranschaulicht die nach EU-Recht geplante Erweiterung: „Ungefähr ein Bierdeckel mehr“, sagt Apel.
Das ist den Tierschützern viel zu wenig: „Wir können nicht Tiere leiden lassen, um ein Billigprodukt herzustellen." Deswegen fordert Tierschutzbund-Präsident Apel ein Verbot der Käfighaltung von Hühnern, wie in der von Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) geplanten Verordnung.
Apel klagte auch über Niedersachsen, das jetzt unter Ministerpräsident Siegmar Gabriel (SPD) gegen das Verbot der Käfighaltung sei, obwohl es früher unter Ministerpäsident Gerhard Schröder (SPD) noch den Anschub dafür gegeben habe. Er vermutet, dass die Eigentümer der 14 Millionen Batteriehühner in Niedersachsen dahintersteckten. Die niedersächsische Staatskanzlei beteuert dagegen, dass noch nichts entschieden wäre. Im Moment würde aber über eine dritte Lösung zwischen Totalverbot und geringfügiger Käfigvergrößerung nachgedacht.
Aus dem Ressort von Wirtschaftssenator Hattig – dem Apel angeraten hatte, sich doch einmal mit vier, fünf Bierdeckeln das Elend der eingezwängten Hühner klarzumachen – verlautete, dass man dort statt eines Verbotes eher auf die Regelungen des EU-Rechts setze und ansonsten dem Verbraucher zutraue, sich selbst zwischen Eiern aus Käfig- oder freier Bodenhaltung zu entscheiden.
Senatssprecher Klaus Schloesser fand die Plakate und die Schmähung von Scherf als „Hühnerschänder“ geschmacklos, zusammenhanglos und voreilig. Denn der Senat habe sich mit dieser Frage bisher nicht beschäftigt und es habe noch keine Abwägung des Problems gegeben. Henning Scherf weiß allerdings noch nichts von seinem neuesten Ehrentitel, denn er ist momentan zu Besuch in der Mongolei.
Tom Brägelmann
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