: Gabriel schiebt es auf Scharping
Bei der Kommunalwahl festigt die CDU ihre Position als stärkste Partei in Niedersachsen. Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) macht die Scharping-Debatte für das magere Abschneiden seiner Partei verantwortlich. Rekordtief bei Wahlbeteiligung
aus Hannover JÜRGEN VOGES
Große Ziele hatten sich die Sozialdemokraten für die Kommunalwahl in Niedersachsen gesetzt. Nach den Erfolgen bei den Landtags- und Bundestagswahlen wollten sie auch in den niedersächsischen Kommunen die CDU hinter sich lassen. Als Amtsinhaber Herbert Schmalstieg bei der Direktwahl des hannoverschen Oberbürgermeisters am Sonntagabend schon im ersten Wahlgang bestätigt wurde, knallten bei der SPD die Sektkorken. Doch wie das landesweite vorläufige Endergebnis gestern zeigte, hatten sich die Sozialdemokraten zu früh gefreut.
Denn die Christdemokraten sind stärkste Partei geblieben. Gegenüber der letzten Abstimmung über die kommunalen Vertretungen des Landes konnten sie sogar noch um 0,9 Prozentpunkte auf nun 42,6 Prozent zulegen. Insgesamt gab es allerdings wenig Veränderungen gegenüber 1996. Die SPD legte landesweit um gerade 0,1 Prozent zu und erreichte magere 38,6 Prozent. Bemerkenswert ist nicht nur die extrem niedrige Wahlbeteiligung, die mit 56,2 Prozent auf ein neues Rekordtief bei Kommunalwahlen in Niedersachsen sank, sondern auch das Abschneiden der Grünen. Seit die Partei in Berlin mitregiert, kann sie nicht mehr von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren und sich auf einen treuen Anhängerstamm verlassen, der in jedem Fall zur Wahl geht.
Die Grünen gingen mit landesweit 6,7 Prozent der Stimmen aus dem Rennen. Damit blieben sie um 2,3 Prozent hinter ihrem Kommunalwahlergebnis von 1996 zurück. Damals lagen sie noch bei neun Prozent. Allerdings mussten sie den dritten Platz nicht an die FDP abgeben. Die Freidemokraten legten um 1,6 Prozentpunkte auf nun 6,2 Prozent zu, konnten aber zur grünen Konkurrenz nicht ganz aufschließen.
Ihre Partei habe „kein gutes Ergebnis“ erzielt, räumte die Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, Rebecca Harms, gestern ein. „Eine heftige Niederlage“ hätten die Grünen im Landkreis Lüchow-Dannenberg erlitten. Wegen des Atomkonsenses hatte dort praktisch die gesamte Kreistagsfraktion die Partei verlassen. Die neuen Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, kamen lediglich auf 4,7 Prozent der Stimmen. 1996 war das Wendland mit einen Kreiswahlergebnis von 16,1 Prozent noch eine Grünen-Hochburg gewesen. Ausgerechnet die Christdemokraten konnten dort nun am meisten zulegen und erhielten 46,4 Prozent der Stimmen (1996: 40,8 Prozent).
Die niedersächsische SPD-Landeschefin Edelgard Bulmahn und auch Ministerpräsident Sigmar Gabriel (beide SPD) machten gestern auch die Debatte um mögliche Privatflüge von Verteidigungsminister Rudolf Scharping für das magere Abschneiden ihrer Partei verantwortlich. Auch wenn der Scharping-Effekt zum SPD-Ergebnis ein wenig beigetragen haben mag – den Ausschlag für den neuerlichen CDU-Erfolg gab sicher die niedrige Wahlbeteiligung. Bei einer Wahlbeteiligung unter 70 Prozent rutschen die niedersächsischen Sozialdemokraten regelmäßig unter die 40-Prozent-Marke. Das zeigte sich auch bei der Europawahl des Jahres 1999. Damals blieb die SPD bei 39,5 Prozent der Stimmen hängen, während die Christdemokraten bei einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung von 44,2 Prozent sogar 47,2 Prozent aller Wählerstimmen für sich verbuchen konnten.
Interessant sind auch die regionalen Unterschiede beim Abschneiden der SPD. In Hannover erzielte Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg auf Anhieb die für die Wiederwahl notwendige absolute Mehrheit, auch bei der Wahl des Stadtrates legten die Sozialdemokraten um knapp sechs Prozentpunkte auf nun 42,8 Prozent zu. Insgesamt konnte sich die SPD im Südosten des Bundeslandes behaupten, während sie in ihren traditionellen Hochburgen an der Küste zum Teil dramatische Einbrüche erlebte. Ministerpräsident Gabriel gab sich gestern gelassen: Nach einer parallel zur Wahl durchgeführten Umfrage hätte die Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl bei 75 Prozent gelegen. Danach, so Gabriel, wäre die SPD auf ein Ergebnis zwischen 43 und 44 Prozent gekommen.
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