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Der Trend geht zum Känguru-Schrank

■ Quartier e.V. proudly presents: „Sachen machen - Kinder und Jugendliche als Designer“. Sofas, Schachfiguren, Hüte und noch viel mehr noch bis Sonntag im Messezelt in den Wallanlagen. Inclusive Versteigerung!

Kölle hätte seine wahre Freude. Auch wenn das Kind, das den Konfetti-Sessel erfand, nicht am Rhein, sondern an der Weser wohnt. Aber keine Frage, ginge das Möbel in Serie, es würde in der rheinischen Karnevals-Hochburg gewiss ein Verkaufschlager. Denn besagter Sessel ist nicht nur breit und bequem, sondern liefert dem gemütlich darin Herumlümmelnden noch einen Service der besonderen Art: Auf Knopfdruck rieselt von oberhalb der Lehne Konfetti herunter. Begründung des kleinen Entwurf-Designers: „Der da drin sitzt, soll sich eine Freude machen können“.

Eine Freude können sich aber auch alle machen, die bislang noch ohne Konfettisessel leben müssen – mit einem Besuch der gestern eröffneten Ausstellung „Sachen machen: Kinder und Jugendliche als Designer“. Dort gibt es natürlich den besagten Sessel zu bestaunen, aber auch etliche weitere spannende Objekte zu entdecken. Denn was die über 500 Jung-Designer im Alter zwischen fünf und 21 Jahren mit Hilfe von Künstlern und Pädagogen entworfen und realisiert haben, lässt an Originalität selbst Alessi & Konsorten reichlich blass aussehen.

Da gibt es etwa zum Thema „Aufbewahrungs-Systeme“ einen Känguru-Schrank: ein giftgrünes Kastenmöbel mit Armen, Beinen und Ohren, in dessen Mitte – hier kommt das Känguru ins Spiel – ein Schlitz zu einem innen gelagerten „Aufbewahrungs-Beutel“ führt. Bestechend auch das „Tempo-bil“ - eine Art Kleenex-Karton auf Rädern, der dem verschnupften Homo sapiens die Papiertaschentücher im Multipack vor die Nase fährt. Wer sich mehr für Tischkultur interessiert, könnte an der Fischkanne Gefallen finden - einer Kaffeekanne, die, zugegeben, auf den ersten Blick ein wenig an die „Preiskarpfen“-Wand in einem Angler-Vereinsheim erinnert, es aber bei näherer Betrachtung mit Fischschwanz als Henkel und Fischkopf als Tülle spielend mit jeder „Crazy-De-sign“-Kanne aus dem Entwurfslager der Profis aufnehmen könnte.

Noch vieles wäre zu erwähnen: ein Pyramidensofa, ein lila Lampenschirm mit grünen Storchenbeinen oder ein Disco-Stuhl, der das Konzept des Schaukelstuhls in einer recht eigenwilligen Neuinterpretation zeigt – aber vor allem auch das Gesamt-Projekt und die zwei Frauen, die all dies erst ermöglicht haben: die Kulturpädagogin Andrea Siamis und die Künstlerin Elke Prieß, die seit Jahren für den Verein Quartier e.V. in diversen Bremer und Bremerhavener Stadtteilen Kinderkulturprojekte initiieren und leiten.

Ob die Erfinder-Werkstatt „Düsentrieb & Co.“ oder das Kindermuseum „Versammelte Wunder“ - das Engagement und der Ideenreichtum der beiden „Quartier-Frauen“ ist beeindruckend. Zumal es ihnen nicht nur darum geht, Kinder und Jugendliche an kreatives Arbeiten heranzuführen, sondern auch Selbstorganisation und zielorientiertes Arbeiten zu trainieren. „Im Vordergrund“, so Elke Prieß, „steht neben dem kreativen Prozess für uns immer auch der Wunsch, Kinder –Organisationsabläufe' entwerfen zu lassen, sie zu –Projektbeauftragten' zu machen.

Denn der Stolz, ein Projekt von der Idee bis zum fertigen Produkt durchgeführt zu haben, ist für die Entwicklung der Kinder viel wichtiger, als die Frage, wie gut oder kreativ das Ergebnis nach ästhetischen Gesichtspunkten ist.“

Diesem Ansatz entspricht auch, dass die im Messezelt in den Wallanlagen aufgebaute Ausstellung nicht-juriert ist. Will heißen: Alle der in 29 verschiedenen Projektgruppen erstellten „Designstücke“ werden ausgestellt - egal ob alessi-verdächtig oder eher an ein zerdätschtes Knetgummimännchen erinnernd, wenn da ein paar eifrige Jungdesigner-Händchen allzu energisch zu Werke gegangen sind.

Die konsequente Gleichbehandlung und Würdigung aller Werke der kleinen „Sachen-Macher“ hat dabei aber nicht nur einen psychologischen, sondern auch einen sozialen und stadtteilpolitischen Hintergrund.

Denn allen voran geht es den beiden Ober-Sachenmacherinnen und ihren zahllosen künstlerischen und pädagogischen Helfern aus Kinder-, Spiel- und Jugendhäusern darum, übergreifende Stadtteilarbeit zu leisten - oder wie Andrea Siamis es ausdrückt: „Stadtteile zu vernetzen - Kinder aus einem verelendeten Stadteil wie Tennever in die Innenstadt zu holen oder die Kulturarbeit von dort zu ihnen hinzubringen. In solchen Stadtteilen gibt es Kinder, die noch nie das Schnoor oder die Kunsthalle gesehen haben“, berichtet sie. „Und dass deren Arbeiten nun hier an einem zentralen Ort und mit Unterstützung renommierter Institutionen wie dem Design Zentrum Bremen, der Hochschule für Kunst, der Wagenfeld Stiftung und der Kunsthalle präsentiert werden, ist für sie von unschätzbarem Wert“.

Und das sind auch die Design-Stücke, die als Höhepunkt und Abschluss der Ausstellung am Sonntag, den 16. September, um 16 Uhr „unter den Hammer“ kommen. Unter dem Motto „Design dazu“ werden hochkarätige Gebrauchsgegenstände versteigert, die von Bremer Geschäften gestiftet und von den Quartier-Jungdesignern durch ungewöhnliche Accessoires ergänzt wurden. Wer also einen Arne-Jacobsen-Stuhl oder einen Alessi-Kessel im „Design-dazu-Look“ erstehen möchte, finde sich pünktlich zur Versteigerung ein.

Die geruhsamere Alternative: Frühzeitig eine Gebotsabgabe in der Ausstellung machen und sich dann in aller Seelenruhe draußen auf der Wiese dem Entwurf von Ole Siebenmorgen (7) widmen: einem Riesensofa, dass die Besucher zum kollektive Ausruhen einlädt – Stadtteilbegegnung leicht gemacht.

Eva Pantleon

Sachen machen: Kinder und Jugendliche als Designer. Messezelt in den Wallanlagen neben dem Wilhelm Wagenfeld Haus, noch bis 16. September, 11-18 Uhr Führungen täglich um 15 Uhr;

Designwerkstatt mit Ronny Liebhaber und Thomas Loy, Designer der Hochschule für Kunst in Bremen, täglich von 11 bis 13 und 15 bis 18 Uhr;

Mitmachaktion mit der Künstlerin Gloria del Mazo „Kinder entwerfen Schilder“ am Samstag von 12 bis 17 Uhr;

Versteigerung „Design dazu“ am Sonntag um 16 Uhr.

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