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„Das Unmögliche ist eingetreten“

Lothar Hahn, Vorsitzender der Reaktorsicherheitskommission des Bundes, hält einen technischen Schutz von AKWs gegen Angriffe für nicht realisierbar. Politische Debatte über Genehmigungsverfahren von Zwischenlagern notwendig

taz: Herr Hahn, das Thema Terroranschläge und Flugzeugabstürze auf atomare Anlagen hat inzwischen einen nicht mehr nur theoretischen Hintergrund. Muss dies nicht auch in die laufenden Genehmigungsverfahren für die atomaren Zwischenlager einfließen?

Lothar Hahn: Ja, die Situation ist insofern anders, als dass inzwischen der Fall, den wir für unmöglich gehalten haben, eingetreten ist. Kernkraftwerke und die neuen Zwischenlager sollen so ausgelegt sein, dass sie den Absturz einer schnell fliegenden Militärmaschine überstehen – einen unbeabsichtigten Absturz. Über den gezielten, den beabsichtigten Absturz auf eine kerntechnische Anlage hat bisher keiner geredet. Dieser Fall wurde in keinem Genehmigungsverfahren berücksichtigt. Gegen kriegerische Einwirkungen sind Kernkraftwerke nicht geschützt und gegen Terroranschläge auch nicht. Da gibt’s nur einen gewissen Grundschutz.

Wir bauen in der Bundesrepublik eine ganze Serie von dezentralen Zwischenlagern. Die Hallen sind riesig und daher leicht zu treffen. Die entstehenden Temperaturen beim Absturz eines vollbetankten Passagierflugzeugs sind jenseits dessen, auf was Castoren je getestet und ausgelegt wurden.

Was die mechanischen Einwirkungen anbelangt, geht man davon aus, dass ein Flugzeugabsturz beherrscht wird durch die Kombination Gebäude und Castor. Aber ausgehend von einer schnell fliegenden Militärmaschine. Wir haben diesen Fall, über den wir jetzt nachdenken, noch nicht durchgerechnet. Deswegen kann man wenig dazu sagen.

Aber, Hand aufs Herz, kann man dann die Genehmigungsverfahren so weiter betreiben, wie das derzeit geschieht?

Man muss das natürlich überdenken. Aber das ist keine technische Frage, sondern das ist eine politische Frage. Das müssen Politik und Gesellschaft entscheiden. Ich gebe jedoch zu bedenken, es gibt nicht nur die Zielscheibe Zwischenlager, es gibt auch die Zielscheibe Kernkraftwerk, Chemieanlage und so weiter.

Die Reaktorsicherheitskommission hat sich ja inzwischen mit den Anschlägen in Amerika und den möglichen Konsequenzen befasst. Was ist denn dabei herausgekommen?

Wir haben eine erste spontane Diskussion geführt, weil der Bundesumweltminister bestimmte Fragen hatte. Wir haben ein erstes Meinungsbild abgegeben, aber keine Empfehlung und haben festgestellt, dass es keine Analyse für solche Fälle gibt und dass ein absoluter Schutz illusorisch sein dürfte.

Die Sicherheit eines Atomkraftwerks hängt ja nicht nur am Reaktor selbst, sondern auch an Pumpen und Ähnlichem. Wo ist denn die größte Schwachstelle bei einem Kraftwerk zu suchen?

Die Anlagen sind sehr unterschiedlich gebaut. Es ist aber richtig, dass nicht nur der Angriff auf die Kuppel selbst entscheidend ist, sondern auch die Nebengebäude eine große Rolle spielen. Die sind teilweise sehr sensibel und weitaus weniger ausgelegt gegen einen Absturz.

Noch ein Ausblick vor einem inzwischen doch völlig neuen, konkreten Bedrohungsszenario: Muss bei uns völlig neu gedacht und berechnet werden?

Die Möglichkeiten hierzu sind begrenzt. Man muss sich natürlich auf politischer Ebene überlegen, wie man in Zukunft mit dem Phänomen Terrorismus umgeht. Aber was die technischen Einrichtungen angeht, muss man sagen, dass ein technischer Schutz gegen kriegerische Einwirkungen und solche terroristische Anschläge nicht möglich ist. Da kann man vielleicht das ein oder andere noch verbessern. Aber wir haben ja gesehen, wie machtlos eine hochkomplexe Gesellschaft sein kann.

INTERVIEW: KAUS WITTMANN

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