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Die Nationalisten auf dem Balkan sehen sich bestätigt

Im ehemaligen Jugoslawien wird wieder das Gespenst einer „islamischen Gefahr“ beschworen. Änderung des US-Politik auf dem Balkan befürchtet

SPLIT taz ■ Nichts bleibt mehr so, wie es war. Diese Botschaft aus Washington und New York ist auch auf dem Balkan angekommen. Im Zentrum steht jetzt die Frage, wie sich die USA künftig auf dem Balkan verhalten werden. Die antiislamische Welle, die die Anschläge auslösten, könnte zu einem Paradigmawechsel der US-amerikanischen Politik in dieser Region führen.

Auf dem Balkan gibt es muslimische Bevölkerungen, die seit Jahrhunderten hier ansässig sind. Wie ein grüner Gürtel ziehen sich deren Siedlungsgebiete, von Bosnien über den Sandschak (Westserbien und Ostmontenegro) bis hin zum Kosovo und Mazedonien. Muslime gibt es zudem in Bulgarien und Albanien.

Mit den Terroranschlägen in den USA bekommen all jene Kräfte wieder Auftrieb, die zu Beginn des Krieges 1991 ihre Angriffe mit der „islamischen Gefahr“ begründet hatten. Dazu gehörte die rot-braune Koalition in Belgrad, die Kriegskoalition (Milošević, Šešelj ) wie auch 1993 die kroatische Führung unter Franjo Tudjman. Obwohl sich Kroaten und Serben im kroatischen Krieg gegenüberstanden, waren ihre Führungen einig, was die Muslime in Bosnien und Herzegowina betraf. Das erklärte Kriegsziel Vertreibung und Vernichtung wurde deshalb nur teilweise verwirklicht, weil die USA auf Seiten der Opfer eingriffen.

Diese Sympathie zahlte sich sogar für die albanischen UÇK-Rebellen im Kosovo und in Mazedonien aus. Sie sind zwar nicht religiös zu definieren, dennoch argumentierten serbische und mazedonische Nationalisten mit der „islamischen Gefahr“.

Kein Wunder, wenn sich jetzt die serbischen, kroatischen und mazedonischen Nationalisten bestätigt fühlen. In den kroatischen und serbischen Zeitungen wurde am Tag nach den Anschlägen an die alte Theorie angeknüpft. Tenor: Endlich erkenne der Westen den Fehler, den Islam unterschätzt zu haben.

Für Differenzierungen ist in diesem Denken kein Platz. Dass der europäische Islam sich als liberaler Islam etabliert hat, spielt keine Rolle. Genüsslich wird darauf verwiesen, dass im Krieg arabische Fundamentalisten nach Bosnien eingesickert waren. Zwar mussten die meisten 1995 das Land verlassen, doch in Serbien und Kroatien wird Bosnien nach wie vor als Sprungbrett des Fundamentalismus angesehen.

Auch die Öffentlichkeit der USA unterliegt jetzt der Gefahr, Differenzierungen zurückzudrängen. Im Büro des Hohen Repräsentanten in Sarajevo will man noch keine Anzeichen einer Politikveränderung erfahren haben. In Skopje befürchten europäische Diplomaten, dass die mazedonischen Paramilitärs nun die Chance für militärischen Aktionen gegen die Albaner sehen, sollten die USA ihre bisherige Position aufgeben.

Dass sofort nach den Anschlägen die US-Truppen im Kosovo verstärkt wurden, kann unterschiedlich interpretiert werden. Fest steht, dass die US-Truppen in Südosteuropa als Brückenkopf für militärische Auseinandersetzungen im Nahen Osten benutzt werden könnten. Die Frage ist dann, ob die Muslime Bosniens und die Albaner ihre US-freundliche Einstellung beibehalten. ERICH RATHFELDER

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