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Der Beginn der Dauerherrschaft

Vor 55 Jahren wurde in Hamburg die erste Bürgerschaft nach dem Krieg gewählt: Unangefochten siegte damals noch die SPD. Doch auch die Kommunisten stellten eine Senatorin  ■ Von Bernhard Röhl

Hamburg war im Sommer 1946 eine Stadt in Trümmern: In 40.000 Notunterkünften vegetierten über 150.000 Menschen, litten unter Hunger, Tuberkulose. Gleichzeitig wurde schon wieder Fußball gespielt, Hein ten Hoff boxte vor 30.000 Zuschauern am Rothenbaum, die politischen Parteien begannen, Fuß zu fassen. Und am 13. Oktober 1946 stand die erste Bürgerschaftswahl nach dem Krieg an.

Bürgermeister Rudolf Petersen, hatte bereits im März einen Verfassungsentwurf für die Stadt vorgelegt. Die britische Militärregierung bestätigte den Entwurf, setzte das Wahlalter auf 21 Jahre fest und wählte den Termin 13. Oktober.

Vor allem die SPD betrachtete die Wahl als „das unstreitig wichtigste Ereignis“, wie sie in ihrem Jahresbericht formulierte. Die Partei schlüsselte ihren Namen damals noch so auf: „Sozialismus, Planwirtschaft, Demokratie“ – zumindest plakatierten die Sozialdemokraten diese Forderungen an Häuserwänden und Ruinen. In ihrem 28-Punkte-Programm zur Wahl wurde das Erringen der Mehrheit als oberstes Wahlziel gesetzt, da nur „ein sozialistisches Hamburg ein gesundes und dann einmal wieder blühendes Hamburg werden“ könne.

Den Wahlkampfauftakt machte die SPD am 11. August in Planten un Blomen. 80.000 Teilnehmer kamen und hörten den Hauptrednern, dem französischen Sozialisten Salomon Grumbach, und Erich Ollenhauer, damals stellvertretender SPD-Vorsitzender, zu. Max Brauer, der frühere Bürgermeister von Altona, überbrachte die Grüße der US-Gewerkschaft Federation of Labour – Brauer war unter den Nazis ins amerikanische Exil gegangen, nach dem Krieg zurückgekehrt und kandidierte für die SPD für das Amt des Bürgermeisters.

Der Wahlkampf spitzte sich zum Zweikampf zwischen SPD und CDU zu. So sah es auch der SPD-Bundesvorsitzende, Kurt Schumacher, der zwei Tage vor der Wahl noch in Hamburg auftrat: „Dieser Wahlkampf wird ausgetragen zwischen CDU und SPD. Alles andere ist nur Ablenkung und politische Spielerei“, rief er aus.

Dagegen wurde der Kommunis-tischen Partei KPD schon im Vorfeld der Wahlsieg nicht zugetraut. Die KPD stützte ihren Wahlkampf auf die Forderungen, Nazismus und Militarismus zu beseitigen und Nazis aus Verwaltung und Wirtschaft zu entfernen. Die Demokratie nach angelsächsischem Vorbild sei zwar als Staatsform keinesfalls ausreichend, „aber gegenüber allen reaktionär-monarchistischen oder gar faschistischen Staatsformen gibt sie der Arbeiterschaft größere Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer Interessen und eine breite Grundlage zum Kampf und die Verwirklichung des sozialistischen Endzieles“, hieß es im KPD-Organ Weg und Ziel. Die Partei sprach sich für eine Bodenreform aus, Großbetriebe und Banken sollten in die öffentliche Hand überführt werden. Die Schulreform und die Enteignung von Kriegsverbrechern, wie sie in der sowjetischen Zone betrieben wurden, galten auch den Hamburger Kommunisten als vorbildlich.

Die SPD wurde als Konkurrent im Wahlkampf angesehen, an die Zustimmung der Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten 1914 und die Niederschlagung des Novemberaufstandes 1918 erinnert. „Nicht zu Unrecht sahen die Hamburger Kommunisten Entwicklungen und Tendenzen, die auf eine Wiederholung dieser Fehler hindeuteten“, schreibt Holger Christier in seinem 1975 veröffentlichten Buch „Sozialdemokratie und Kommunismus – die Politik der SPD und KPD in Hamburg 1945-1949“. Die KPD kritisierte, dass „die größten Kriegsverbrecher sich noch alle ihres Lebens freuen und Wehrwirtschaftsführer Blohm weiter auf seiner Werft kommandiert, als wenn nichts geschehen wäre“. Gleichzeitig warf sie der britischen Militärregierung vor, sie unterstütze eindeutig die SPD. So wurde die Hamburgische Volkszeitung als Sprachrohr der Kommunisten im Wahlkampf Ende August unter Vorzensur der Besatzungsmacht gestellt.

Gegen SPD und KPD trat nicht nur die CDU an, im Mai hatte der Notar Paul de Chapeaurouge, der bis 1933 der rechtsbürgerlichen Deutschen Volkspartei DVP angehört hatte, den Vaterstädtischen Bund Hamburg VBH aus der Taufe gehoben. Der VBH plakatierte mit dem Slogan: „Stadt- und Staatsführung in Hamburg dürfen nicht allein der Linken gehören.“ Cha- paurouge strebte einen Rechtsblock aus VBH, CDU, FDP gemeinsam mit der Niedersächsischen Landespartei NLP und den Deutschen Konservativen an. Letztere traten dem Rechtsblock bei, die CDU zeigte zumindest eine gewisse Bereitschaft, lehnte einen Beitritt aber ab. Noch vor der Wahl war der Rechtsblock damit praktisch gescheitert, Chapeaurouge rief nun zur Wahl der CDU auf, später wurde er sogar selbst deren Fraktionschef.

Neun Parteien traten letztlich zur Wahl an, um die 110 Sitze bewarben sich gut 600 Bewerber, 50 wurden als politisch belastet von der Militärverwaltung abgelehnt. Aus denselben Gründen wurden 14.633 Personen aus den Wahllisten gestrichen, das waren nur 1,48 Prozent der Wahlberechtigten. Die meisten Streichungen wegen NS-Tätigkeit gab es in Blankenese, im Alstertal und den Walddörfern. Die Wahlbeteiligung lag bei 70 Prozent, zehn Prozent weniger als bei der letzten freien Wahl der Bürgerschaft 1932.

Eindeutige Siegerin der Wahl wurde die SPD mit 43,1 Prozent vor der CDU mit 26,1 Prozent, die FDP landete bei – natürlich – 18 Prozent, die KPD bekam 10,4 Prozent. Brauer sprach sich für eine Große Koalition aller Parteien aus, SPD-Landeschef Karl Neitmann machte sich für eine SPD-Alleinregierung stark. Brauer setzte sich durch und schlug vor, der SPD acht SenatorInnen-Sitze zuzusprechen, für die KPD bliebe ein Sitz im Senat, CDU und FDP sollten sich die drei übrigen Stühle untereinander aufteilen. Die CDU zeigte sich damit nicht einverstanden und ging in die Opposition.

So wurde Brauer zum Ersten Bürgermeister gewählt, sein Stellvertreter kam mit Christian Koch von der FDP, die nun über drei Senatsposten verfügte. Mit der SPD-Jugendpolitikerin Paula Karpinski kam die erste Frau in der hamburgischen Geschichte in den Senat, KPD-Gesundheitssenator Fiete Dettmann gehörte der Regierung nur noch zwei Jahre an: Nach der Berliner Luftbrücke 1948 trat er zurück. Die kommunistische Regierungsbeteiligung in Hamburg war damit endgültig vorbei.

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