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: Mit Gesten der Betroffenheit reagiert die Bundesliga auf die Ausnahmesituation

Fußball im Schatten des Terrors

Der Ball ist rund und die Erde keine Scheibe. Das ist keineswegs nur so dahergesagt, sondern unumstößliche Wahrheit– und letztlich ist es auch diesem Umstand zu verdanken, dass sich das Leben weiterdreht, immer weiter, und man nicht vollends an ihm verzweifelt, Anlass dazu gäbe es ja genug, zumal in diesen Tagen. Am Dienstag stürzte der Terror vom Himmel auf die USA, am Mittwoch wurde hier zu Lande beschlossen, dennoch Fußball zu spielen, ab Freitag wurde der ebenso viel wie heiß diskutierte Plan schließlich exekutiert. „Wir wussten, eine 100 Prozent richtige Entscheidung kann es nicht geben“, sagt dazu Werner Hackmann, Präsident der Deutschen Fußball-Liga. Immerhin: Eine 100 Prozent falsche dann aber auch nicht.

Natürlich: Man hätte den sechsten Spieltag auch aussetzen können, verschieben auf später. Was aber hätte man dann mit dem siebenten gemacht nächstes Wochenende, und dem achten die Woche darauf? Wann hätte es überhaupt wieder Fußball geben dürfen? Und wer hätte diesen Zeitpunkt bestimmt?

„Ob wir spielen oder nicht spielen“, hat Nürnbergs Trainer Klaus Augenthaler festgestellt, „wir können die Toten nicht mehr lebendig machen.“ Hamburgs Manager Holger Hieronymus mag das genauso empfunden haben, gesagt hat er jedenfalls: „Man kann nicht zur Normalität übergehen, aber man kann Fußball spielen.“ Fußball im Schatten des Terrors.

Genau das hat die Bundesliga getan am Wochenende, das reich war an einfühlsamen Zeichen und Gesten: In Nürnberg trugen sich die Fans in Kondolenzbücher ein; auf den Trikots der Bremer war „Keine Macht dem Terror“ zu lesen; in Berlin starteten Fans eine Spendenaktion, an der sich auch der Verein beteiligen will; auf Schalke wurde vor dem Spiel ein Gottesdienst in der Stadionkapelle gefeiert; in München, wo die Bandenwerbung durch den Slogan „Give peace a chance“ ersetzt wurde, bejubelte der Brasilianer Giovane Elber sein spätes und entscheidendes Tor, in dem er seine beiden Daumen aneinanderdrückte und die Hände dazu flattern ließ wie Flügel, die Friedenstaube sollte das darstellen; in allen Stadien zusammen bildeten die trauerbeflorten Spieler vor der Partie einen Kreis und gedachten, gemeinsam mit den Fans, in einer Schweigeminute den Opfern des Terrors.

Und auch, dass im Anschluss an all diese leisen Gesten der Betroffenheit ganz normaler Fußball geboten wurde, mit ganz normalen Fouls, Karten in Rot und Gelb sowie Toren samt dazugehörigem Jubel, ist nicht wirklich ein Widerspruch, sondern nur Ausdruck dessen, dass das Leben sich weiterdreht, irgendwie. Schließlich ist der Ball rund und die Erde keine Scheibe.

FRANK KETTERER