Königliches Desaster für Biedenkopf

Einen „miserablen Politiker“ hat Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt genannt, bevor er ihn als Minister schasste. Ausgerechnet der schaffte nun ein Comeback: Er wurde CDU-Landeschef und damit Favorit für die Biedenkopf-Nachfolge

aus Glauchau MICHAEL BARTSCH

Gegen den Willen von Ministerpräsident Biedenkopf hat Sachsens CDU Georg Milbradt zu ihrem neuen Chef gewählt. Mit 131 zu 96 Stimmen setzte sich der Exfinanzministeram Sonnabend auf dem Sonderparteitag in Glauchau gegen Biedenkopfs Favoriten, den Landwirtschaftsminister und früheren Generalsekretär Steffen Flath, durch.

Zum ersten Mal nach elf Jahren trat Sachsen CDU damit aus dem Schatten Biedenkopfs. Der hatte Milbradt einen „miserablen Politiker“ genannt, bevor er ihn am 30. Januar aus seinem Kabinett schmiss. Damals gab Biedenkopf Differenzen zum Verfahren seiner Nachfolgeregelung als Grund an. Milbradt galt Journalisten und Teilen der CDU als Favorit für die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2004 oder für eine vorzeitige Ablösung Biedenkopfs. Weniger bekannt ist, dass es seit längerem Streit über Haushaltprioritäten zwischen beiden gibt, die im Vorjahr kaum noch zu schlichten waren.

Auf dem Parteitag am Sonnabend wurden die Unterschiede nochmals deutlich. Während Milbradt vor allem auf eine wirtschaftliche Aufholjagd setzt, beschwor Biedenkopf Kultur, Bildung und Sozialthemen. Milbradt verlor in Glauchau kein böses Wort über Biedenkopf wie auch schon die ganze Zeit nach seiner Entlassung. Stattdessen hatte er mit vielen Terminen an der Basis sein Comeback vorbereitet. Der Ministerpräsident, sein Vasall Fritz Hähle als Fraktionsvorsitzender im Landtag und scheidender Landeschef und die Staatskanzlei versuchten in den vergangenen Wochen, den eher zögernd als Gegenkandidat angetretenen Flath aufzubauen. Das Motto des Flath-Lagers: Die CDU darf keine kalte Partei werden. Doch die Parteimehrheit ließen Appelle an Herzenswärme kalt. Sie zog den kühlen Rechner Milbradt vor, der sich immerhin nach der Wahl eine verstohlene Träne aus dem Auge wischte.

Ob sich die sächsische CDU wirklich emanzipiert hat, bleibt fraglich. Die Sehnsucht nach Führung durch einen neuen starken Mann überwog deutlich die nach einem starken Kollektiv. Auch wenn das Biedenkopf/Flath-Lager immer wieder betonte, hier sei zunächst „nur“ ein neuer Landesvorsitzender gewählt worden, sah doch jeder in der Glauchauer Sachsenlandhalle diese Wahl als Vorentscheidung für die Spitzenkandidatur 2004 an.Biedenkopf fand nach einigen versteinerten Minuten und einem Handschlag mit Milbradt sein schelmisches Grinsen wieder. Der Ministerpräsident bekommt vielleicht schon in einem Jahr ein zweite Chance, Milbradt zu verhindern. Dann soll ein weiterer Sonderparteitag endgültig über seine Nachfolge beschließen. Vielleicht hat sich dann Milbradt mit einem schlechten Bundestagswahlergebnis eine Beule geholt. Schon 1998 sackte die Sachsen-CDU ohne Biedenkopf-Bonus auf 33 Prozent Stammwähler ab. Vor Ende kommenden Jahres will Biedenkopf seinen Thron aber keinesfalls räumen. Bis dahin ist das Triumvirat Ministerpräsident-Landesvorsitzender-Fraktionschef zur Zusammenarbeit verurteilt.

Einheit und Geschlossenheit gelten mit Blick auf das Wahlziel einer erneuten absoluten Mehrheit 2004 nun als die höchsten Tugenden. Schnauze-halten-Appelle kamen von Steffen Flath, der immerhin mit dem besten Ergebnis einer der drei Stellvertreter Milbradts wurde. Der ehemalige Bochumer Universitätsrektor Biedenkopf hielt eine seiner Vorlesungen über begrenzte Ressourcen, Verantwortung für die eine Welt und kleine Lebenskreise. Schöne Worte, die, wie ein Delegierter bemerkte, seit Jahren folgenlos bleiben. Für den CDU-Wahlkampf 2004 werden nur noch Biedenkopfs derzeit 64 Prozent Popularität gebraucht.