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Zentralasien als Lackmustest

Ob Moskau US-Militäraktionen von Zentralasien aus zustimmt, ist unklar. In den Staaten selbst sind die Interessen verschieden

von KLAUS-HELGE DONATH

Leitet die Tragödie von New York einen Paradigmenwechsel in der internationalen Politik ein? Macht sie Russland, USA und Nato langfristig zu strategischen Partnern? Moskaus Kommentatoren sind sich uneinig. Aber eine Diskussion ist entbrannt und auch im Kreml wird scheinbar erbittert um die künftige Linie der Außenpolitik gerungen.

Selten sprach das Polit-Establishment mit so vielen Stimmen. Offenkundig möchte Kremlchef Wladimir Putin die Gunst der Stunde nutzen und eine Annäherung an die USA erreichen. Beim Militär stößt diese Perspektive nicht auf Gegenliebe.

Der Lackmustest könnte Russlands Verhalten in Zentralasien sein. Morgen wird der stellvertretende US-Außenminister in Moskau erwartet, um Russlands Bereitschaft auszuloten, Militärbasen in Zentralasien zur Verfügung zu stellen. Moskau betrachtet diese ehemaligen Sowjetrepubliken als seine traditionelle Einflusszone. Scharf dementierte daher Verteidigungsminister Iwanow am Wochenende jegliche Spekulationen: „Selbst für hypothetische Mutmaßungen, Militäroperationen der Nato könnten auf dem Territorium zentralasiatischer Staaten stattfinden, sehe ich keine Grundlage.“

Kurz darauf widerrief auch das Außenministerium Tadschikistans seine signalisierte Bereitschaft, den USA Überflugrechte zu gewähren. Russland hatte interveniert und Duschanbe die Leviten gelesen. Ohne Russland wäre Tadschikistan längst auseinander gebrochen und unter den Einfluss des afghanischen Nachbarn geraten. An die 10.000 russische Militärs und 15.000 von Russen befehligte einheimische Soldaten stehen in Tadschikistan unter Waffen und bewachen die Grenze zu Afghanistan.

Gestern versetzte der Kreml die Truppen im Grenzgebiet in erhöhte Alarmbereitschaft. Dort verläuft die Hauptversorgungsader der Nordallianz, der afghanischen Gegner der Taliban.

Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan teilen eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. Alle drei Staaten sind Mitglieder der Nato-Partnerschaft für Frieden und wurden auch von US-Militärs mit ausgebildet. Dennoch gelang es dem Kreml, verlorenen Einfluss zurückzugewinnen. Das Regime von Ismail Karimow in Usbekistan verfolgt einen unabhängigeren Kurs gegenüber Moskau. Gestern erteilte Taschkent den USA die Erlaubnis, von usbekischem Gebiet aus zu operieren. Taschkent diente Moskau im Afghanistankrieg als Kommandozentrale und logistisches Zentrum. Von hier marschierte die Sowjetarmee in Afghanistan ein. Westliche Militärbeobachter gehen davon aus, dass die militärische Infrastruktur intakt ist. Von hier könnten die USA eine Bodenoffensive lancieren und Luftangriffe fliegen.

Dem autoritären Karimow-Regime kommt eine Intervention der USA auch innenpolitisch gelegen. Es wird versuchen, die US-Präsenz zur Konsolidierung der eigenen Macht zu nutzen. Bereits heute begegnet Taschkent Kritikern mit der pauschalen Unterstellung, die Opposition stamme aus Zirkeln des islamischen Fundamentalismus. Die wahhabitische Islamische Befreiungsbewegung Usbekistan (IBU) verfügt besonders in den Gebieten Buchara, Samarkand und im Ferganatal über starken Rückhalt. Die USA haben die IBU schon als eine talibanfreundliche Terrororganisation auf ihren Index gesetzt. Warum sollte Karimow für die Dislozierungsrechte nicht von den Amerikanern verlangen, auch die IBU auszuschalten? Innenpolitisch ist die Präsenz der USA zweischneidig: Wo bleibt die Gewähr, dass wachsender innenpolitischer Druck den Terroristen nicht Zulauf verschafft?

Auch Turkmenistan wird von einem selbstherrlichen Potentaten regiert. Saparmurat Nijasow, der sich den Titel „Turkmenbaschi“ (Vater aller Türken) zulegte, fährt eine andere Politik. Offiziell wahrt Aschchabad Neutralität. Das hielt den Turkmenbaschi nicht ab, die Taliban mit Gas und Strom zu versorgen. Anfang des Jahres forderte Nijasow, den Taliban eine Chance zum Aufbau eines Staatswesens einzuräumen und Sanktionen aufzuheben. Solche Eskapaden werden die USA unterbinden. Was nach einem Kurswechsel Nijasows mit der in Afghanistan lebenden Million Turkmenen geschieht, bleibt offen. So wie die Frage, wie Moskau sich entscheidet.

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