: Rechtsliberale Hamburger Ehe
CDU und FDP blättern gemeinsam im innenpolitischen Katalog der Grausamkeiten. Schill ist für FDP kein Tabu mehr ■ Von Peter Ahrens
Als erstes bekommen die Medienmenschen den bayerischen Verfassungsschutzbericht auf den Tisch gepackt. Damit gleich klar wird, wohin die Richtung geht. CDU-Bürgermeisterkandidat Ole von Beust und FDP-Spitzenmann Rudolf Lange sitzen erstmals gemeinsam vor der Presse und lassen die Katze aus dem Sack. Wenn sie regieren, dann wird in Hamburg die Schleierfahndung eingeführt, die Rasterfahndung kommt, der Verfassungsschutz wird von „datenschutzrechtlichen Hemmnissen“ befreit und erhält mehr Personal. Unsichtbar sitzt Ronald Schill als dritter mit am Tisch – die FDP hat nichts mehr dagegen.
Von Beust und Lange haben für ihre Aussagen „zur aktuellen politischen Lage“ den Raum 151 im Hamburger Rathaus für die Pressekonferenz angemietet, den Saal, in dem der Senat dienstags auf der Landespressekonferenz seine Beschlüsse verkündet. Hier wollen sie künftig die Öffentlichkeit informieren, das Signal ist eindeutig. So eindeutig wie die Sprache: „In Hamburg gibt es zu viel Sicherheit für Terroristen und zu wenig Sicherheit für Bürger“, nimmt Lange die Anschläge in den USA zum Anlass für eine parteipolitische Attacke.
Von Beust blättert den Katalog der sicherheitspolitischen Grausamkeiten auf, der Chef einer liberalen Partei sitzt neben ihm und zuckt nicht einmal mit der Wimper. „Wenn diese Maßnahmen maßvoll umgesetzt werden, halten sich meine Bauchschmerzen in Grenzen“, sagt Lange. Was er mit maßvoll meine? „Wir werden das Gesetz voll ausschöpfen – aber ohne eine Überreaktion.“ Das sei nötig, „um Hamburgs lädierten Ruf wieder herzustellen“.
SPD und GAL seien herzlich eingeladen dabei mitzutun, behaupten die beiden, ohne erkennbar rot zu werden. Von Beust erkennt schließlich „mit Befriedigung ein Umdenken der Regierenden“, er ist voll des Lobes für die Ankündigung von SPD-Innensenator Olaf Scholz, auf das Instrument der Rasterfahndung zu setzen.
Doch lieber als mit der SPD hat er künftig denn doch den Politrichter an seiner Seite. Nach der Wahl, „bei der ich eine stabile Mehrheit hinter mich bringen werde“, wird von Beust Koalitionsgespräche gemeinsam mit Schill und FDP führen, kündigte er an. Die Freidemokraten sind mit am Tisch, das hat Lange gestern erstmals offen ausgesprochen: „Verhandlungen mit Schill schließe ich nicht aus.“ Eine Große Koalition dagegen halte er für „das größtmögliche Übel, ein Waterloo für Hamburg“. Von Beust nickt ganz leicht mit dem Kopf.
Die SPD ist entsprechend empört: „Die Trümmer in New York rauchen noch, da versuchen CDU und FDP schon, parteipolitisches Kapital aus den furchtbaren Anschlägen zu ziehen“, schäumt SPD-Fraktionschef Holger Christier, damit sei „der moralische Tiefpunkt des Wahlkampfes“ erreicht.
So kann man das ja auch nicht nennen: Immerhin wollen FDP und CDU „sofort nach der Wahl“ wieder ein Amerikahaus in Hamburg eröffnen.
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