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: Der Staatsanwalt als Terrorspezialist

Sicherheit im Kabinett

Nichts ist dem Ansehen unserer Regierung förderlicher, als entschlossenes Handeln im Krisenfall zu beweisen. Erstreckt sich der Tatendrang allerdings auf das Terrain der inneren Sicherheit, so ist besondere Vorsicht angezeigt. Nur allzu groß ist die Versuchung, Verunsicherung und Angst zu kapitalisieren, auf Kosten der Grundrechte billig zu punkten.

Was heute als Sicherheitspaket auf dem Kabinettstisch liegt, schnürt allgemein akzeptierbare und – auch innerhalb der Koalition – umstrittene Vorhaben zusammen. Kaum jemand wird sich finden, der gegen die geplante Rechtsverordnung zur erhöhten Kontrolle auf Flughäfen Einspruch erhebt. Auch gegen die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz – eine überflüssige, eigentlich gegen den Gleichheitssatz gerichtete Schutzbestimmung – gibt es keinen durchschlagenden Einwand. Zwischen so viel Vernunft eingepackt, soll nun ein neuer Paragraf des Strafgesetzbuchs mit durchrutschen – der 129 b.

Bündnisgrüne und PDS hatten Recht, als sie schon vor geraumer Zeit dagegen protestierten, den jetzigen Paragrafen 129 a zu „internationalisieren“. Schon die geltenden Bestimmungen über die Bildung terroristischer Vereinigungen des Inlands ziehen, indem sie die Werbung für solche Organisationen umstandslos unter Strafe stellen, einen sehr weiten Kreis der Strafbarkeit, der für die Meinungsfreiheit gefährlich ist. Wer aber wäre alles anzuklagen, wenn ein Tatbestand eingeführt würde, der eine Werbung für internationale kriminelle beziehungsweise terroristische Organisationen unter Strafe stellt? Sollen das auch Sympathisanten der albanischen UÇK oder islamisch-fundamentalistischer Organisationen in Tschetschenien sein? Wer fällt ein Urteil über die politischen Verhältnisse in dem Land, gegen das sich Anschläge richten? Etwa die russische oder die mazedonische Regierung? Wer darf definieren, worum es geht: um nationale Befreiungskrieger oder um Terrorbanden oder womöglich um beides?

Dem Staatsanwalt, der nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet ist, Anklage zu erheben, stehen, wenn das Projekt eines Paragrafen 129 b in seiner vorliegenden Form Gesetz wird, unlösbare Aufgaben bevor. Oder er entscheidet nach politischer Opportunität, was die eigentliche Gefahr für den Rechtsstaat bildet. Statt allgemein über eine Balance von Sicherheit und Freiheit zu philosophieren, stünde es den Bündnisgrünen gut an, diesem Entwurf die Giftzähne zu ziehen.

Für den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gilt: Vorsicht bei Huckepack-Verfahren, aber auch bei Kompromissen. Keinesfalls ist der Datenschutz ein Luxusgrundrecht, das im Moment der Gefahr willig der Sicherheit geopfert werden darf. Umgekehrt sollte der Datenschutz nicht so weit getrieben werden, dass auf eine erweiterte Auskunftspflicht der Banken verzichtet wird. Sie ist zwingend, um die ökonomische Basis des Terrorismus anzugreifen. Spätestens, wo die innere Sicherheit anfängt, sollte der nationale Konsens enden.

CHRISTIAN SEMLER