: Mischkonzern des Terrors
Mit dem Erbe seiner reichen Familie baute Ussama Bin Laden ein Wirtschaftsimperium auf. Der Feind der US-Regierung macht legale und illegale Geschäfte. Und in Afghanistan verdient er an allem mit
von BERNHARD PÖTTER
Es war eine großherzige Spende. Zwei Millionen Dollar erhielt die Harvard-Universität in Boston Anfang der 90er-Jahre für Forschung über islamisches Recht und islamische Kunst. Das Geld kam von einer Familie, die zur wirtschaftlichen Elite Saudi-Arabiens gehört, teilweise in Boston wohnt: die Familie Bin Laden. Zu deren Wohltäter-Image passt es gar nicht, dass ein Familienmitglied für die zerstörerischen Flugzeugentführungen verantwortlich sein soll, die in zwei Fällen ausgerechnet am Bostoner Flughafen ihren Anfang nahmen: Ussama Bin Laden.
Ussama ist das ungeratene Kind des Clans, der mit ihm wegen seiner Ansichten gebrochen hat und mit Terror nichts zu tun haben will. Gemeinsam hat der Terrorist mit seinen Verwandten jedoch den wirtschaftlichen Erfolg. Der Reichtum der Familie ist die Keimzelle von Ussama Bin Ladens Imperium: 80 Millionen Dollar erbte er als 13-Jähriger.
Der Reichtum des Clans
Seine Familie mit engen Verbindungen zum saudischen Königshaus besitzt die „Bin Laden Group“, mit etwa 5.000 Angestellten einer der umsatzstärksten Baukonzerne des vorderen Orients. Das gesamte Familienvermögen wird auf 84 Milliarden Mark geschätzt. Das Geld der Familie steht Ussama Bin Laden nicht zur Verfügung, seit sie ihn Anfang der 90er-Jahre verstieß.
Den 44-Jährigen stört das kaum. Sein persönliches Vermögen schätzen Experten auf 660 Millionen Mark. Sein Erbe hat er längst erfolgreich in ein unübersehbares Geflecht von insgesamt rund 60 Firmen investiert. Im Afghanistan-Krieg organisierte er die Unterstützung der Mudschaheddin gegen die UdSSR. An den drei Milliarden Dollar, die die CIA dafür ausgab, und den Milliarden, die aus den Golfstaaten flossen, verdiente Bin Laden kräftig mit. Inzwischen hat er sich in Afghanistan eine solide ökonomische Machtbasis geschaffen. Bin Laden betreibt einen Mischkonzern, dessen Einkommen aus legalen und illegalen Quellen fließen. Neben dem Warenschmuggel nach Pakistan verdient er nach den Worten von Michael Pohly, Afghanistan-Experte an der Freien Universität Berlin, vor allem mit Rauschgift und Waffen sein Geld. Auch finanziert er sich aus Spenden und Schutzgeldern arabischer Geschäftsleute. Legal ist seine Straßenbaufirma in Afghanistan.
„Bin Laden verdient an allem, was in Afghanistan passiert“, sagt Pohly. Seine Firma habe für mehrere Millionen die Straßen zur iranischen Grenze und nach Kandahar gebaut. Die Straßen sichern die Herrschaft der Taliban, aber auch die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern. Deshalb werde dieses Geschäft Bin Ladens „auch mit ausländischen Mitteln wie Geldern der Hilfsorganisation CARE bezahlt“, berichtet Pohly. Jamal Ahmed al-Fadl, Exfinanzberater Bin Ladens und Kronzeuge gegen ihn im Prozess um die Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, erzählte von einer zweiten nicht kriminellen Sparte der Bin-Laden-Gruppe: einer Handelsgesellschaft für Zucker und Palmöl mit Konten im Sudan, Honkong, Malaysia und London.
Aus den Jahren zwischen den Fronten im afghanischen Krieg verfügt Bin Laden über Kontakte zu den Taliban, aber auch zu den pakistanischen Politikern und Militärs jenseits der Grenze. Mit ihrer Hilfe baute er Afghanistan zu einer Drehscheibe für den Schmuggel aus – vom Kühlschrank bis zum Auto. Der Umfang dieses Handels zwischen Afghanistan und Pakistan wurde bereits vor Jahren auf jährlich zwei Milliarden Dollar geschätzt.
Söldner in Bosnien
Noch lukrativer ist der Schmuggel von Rauschgift und Waffen. Ussama Bin Laden habe die Heroinlabors der Miliz Hizb-e-Islami übernommen, als diese Gruppe in den Taliban aufging, sagt Wissenschaftler Pohly. Über seine Verbindungen nach Saudi-Arabien schaffe er das Rauschgift per Flugzeug aus dem Land. Schließlich handele er mit Waffen und mit Söldnern. Bei Bedarf „vermiete“ er die Soldaten seiner 6.000 bis 8.000 Mann starken Truppe für etwa 750 Dollar pro Kopf und Monat. Diese „Afghanen“ kämpften unter anderem im Bosnienkrieg. Sie selbst sollen monatlich nur etwa 100 Dollar Sold bekommen haben – ein schöner Gewinn für den Chef.
Ermittler vermuten, dass Bin Laden obendrein noch Spenden und Zuschüsse der islamischen Gemeinden und Stiftungen in aller Welt bekommt. Das Geld für den Anschlag auf das Word Trade Center 1993 soll von einer islamischen Stiftung in Brooklyn geflossen sein, hieß es während des Prozesses zu dem Anschlag. Fahnder in den USA und Großbritannien verfolgen nach Informationen der britischen Zeitung Observer Überweisungen, die vom saudischen Riad zur Barclays Bank in London führen. Dort sollen auf einem Konto von Bin Laden mehr als 50 Millionen Dollar angekommen und im westlichen Bankensystem gewaschen worden sein.
Von Bin Ladens Geld profitieren vermutlich auch die Taliban. Als sie bei einem Streit mit der UNO ankündigten, sie könnten die Armen auch auf eigene Kosten versorgen, fragten sich viele, woher sie die geschätzten zwei Millionen Dollar täglich nehmen wollten. Denn eigentlich liegt das Land wirtschaftlich am Boden (siehe Kasten).
„Von einer zusammenhängenden Ökonomie in Afghanistan kann man eigentlich nicht mehr sprechen“, sagt der Wirtschaftsexperte Aziz Alkasaz vom Orientinstitut Hamburg. „Für viele Menschen ist das Gewehr in der Hand die Einkommensgrundlage.“ Um zu überleben, müssten die Menschen sich Milizen anschließen. „Schließlich hat es nach dem Ende der sowjetischen Besatzung auch nie einen Marshallplan für den Wiederaufbau eines extrem zerstörten Landes mit hunderttausenden von Verletzten und Verkrüppelten gegeben“, sagt Alkasaz. Politische Instabilität schrecke mögliche Investoren ab, was wiederum die Gegend destabilisiere, die ohnehin von den Jahrzehnten des Krieges und der Anarchie geprägt sei.
Ideale Voraussetzung dafür, dass Bin Laden als Pate von Afghanistan agieren könne, findet auch der Berliner Experte Michael Pohly. „Seine Geschäfte laufen gut, denn in Afghanistan sind die mafiosen Strukturen von Drogenhandel, Waffenschmuggel und Terrorismus eng miteinander verknüpft.“
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