SPD wendet sich Islam zu

Kurswechsel in der Bildungspolitik: SPD-Fraktion lehnt Wahlpflichtfach Religion und Ethik nicht mehr grundsätzlich ab. Einfluss von Islamisten soll dadurch begrenzt werden. Grüne und die PDS dagegen

von ANDREAS SPANNBAUER

Nach den Anschlägen von New York und Washington ist der Streit um die Einführung eines Wahlpflichtfaches Religion und Ethik an den Schulen neu entbrannt. In die SPD-Fraktion, die ein solches Fach im Gegensatz zu Schulsenator Klaus Böger (SPD) bisher abgelehnt hatte, ist in dieser Frage Bewegung gekommen.

Die Einführung von Religionsunterricht soll unter anderem einen staatlich kontrollierten Islamunterricht ermöglichen, um den Einfluss von islamischen Extremisten auf Jugendliche zu verringern. „Wir müssen unsere bisherige Haltung überdenken“, sagte die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Eveline Neumann, gestern. Neumann rechnete damit, dass eine Reform des Schulgesetzes in der neuen Legislaturperiode „auf jeden Fall“ verabschiedet werde. CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel hatte die Aufnahme von Ethik und Religion als Pflichtfach gefordert, um „terroristische Indoktrinationen“ von muslimischen Kindern zu unterbinden. Auch der Kardinal Georg Sterzinsky befürwortete die Erteilung von Islamunterricht.

Der Besuch des Religionsunterrichts, der von den Religionsgemeinschaften bisher in Eigenverantwortung organisiert wird, ist in Berlin nach der derzeitigen Regelung freiwillig. Erstmalig darf in diesem Jahr auch die „Islamische Föderation e. V.“, die nach Angaben des Verfassungsschutzes von der extremistischen „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ beeinflusst wird, staatlich finanzierten Unterricht anbieten. Der CDU-Bildungsexperte Stefan Schlede nannte dies gestern eine „Bankrotterklärung der Schulpolitik“.

Um den Einfluss des Staates auf die Lehrinhalte zu sichern, sollen den Religionsgemeinschaften künftig lediglich Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Erstellung der Lehrpläne zugestanden werden. „Dabei sind insbesondere die demokratischen islamischen Organisationen zur Mitarbeit aufgerufen“, erklärte SPD-Schulpolitikerin Neumann.

Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg begrüßte die Überlegungen. „Es muss einen Islamunterricht geben, der nicht von Extremisten erteilt wird“, sagte der Sprecher Safter Cinar.

Bei den Grünen und der PDS stoßen die Vorschläge dagegen weiterhin auf Ablehnung. „Religion hat an der Schule grundsätzlich nichts zu suchen“, sagte die PDS-Fraktionsvorsitzende Carola Freundl. Sie forderte erneut die Einführung eines Faches „Lebensgestaltung Weltanschauung Religionskunde“. Als Alternative sei auch eine Integration von Religionskunde in den Sozialkundeunterricht denkbar. Auch der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, verwies auf die Notwendigkeit, bezeichnete eine Alternative zum Unterrichtsangebot der Islamischen Föderation als dringend notwendig. Diese könne jedoch nur in einem religiös und weltanschaulich nicht gebundenen Schulfach bestehen, in dem sich alle Schüler gemeinsam mit Werten auseinander setzten. Die Einführung eines Wahlpflichtfaches würde wegen der damit verbundenen konfessionellen Trennung der Schüler nicht zum Abbau von Vorurteilen beitragen. In einer rot-grün-roten Regierung wäre der Streit damit programmiert, wie der bildungspolitische Sprecher der PDS, Benjamin Hoff, eingestand: „Die SPD wird bei den Grünen und der PDS keine Mehrheiten für ein Wahlpflichtfach finden.“