: Das Strahlen auf der Louisiana Star
Ausgelassen feiert die Schill-Partei ihren Vorsitzenden als Wahlsieger ■ Von Elke Spanner
Die Partei will den Innensenator stellen und die Bevölkerung im Parlament vertreten, doch an diesem Abend meidet man den Kontakt zum gemeinen Volk. Die Straße vor dem Bootsanleger am Altonaer Fischmarkt, wo der Mississipidampfer „Louisiana Star“ an diesem Abend vor Anker liegt, ist nahtlos mit Polizeiwannen gesäumt, und die taz wird mit den Worten begrüßt, sie sei hier eigentlich nicht erwünscht. Aber nein, grundsätzlich wolle man die Pressefreiheit nicht abschaffen, wenn man erstmal an der Regierung ist.
Eine halbe Stunde später sieht es so aus, als sei das bereits der Fall. Erste Hochrechnung, die Schill-Partei liegt bei 17,2 Prozent, die „Lousiana“ droht unterzugehen. Die Schill-Anhänger springen von ihren Holzstühlen, reißen die Arme in die Höhe, erschlagen sich beim Zuprosten fast gegenseitig mit ihren Biergläsern und rufen in Sprechchören „Hey, hey, hey“. „Ist das geil, ist das geil“, sagt ein junger Wähler in dunklem Anzug und Schlips mit Hamburg-Emblem. Ein Mittfünfzigern im bayerischen Trachtenhemd raunt der Frau an seiner Seite zu, dass er, wenn es so viele Prozent werden, „auch noch drankommt in der Bürgerschaft“. 17,2 Prozent, das wären 22 Mandate.
Bestätigt durch die erste Hochrechnung fühlt man sich hier erhaben. Egal, welcher Politiker oder welche Politikerin auf der großen Leinwand erschweint, man buht laut, lacht höhnisch und wertet jede Aussage als Bestätigung der eigenen Linie. Antje Radcke von der GAL ist zu sehen, man versteht kein Wort, so laut ist das Gejohle. Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) erscheint, lautes Buhen. Sie sagt, noch sehe es so schlecht nicht aus. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen“, stimmen die Schill-Anhänger an.
Als das erste Mal Schill selber von der Leinwand sprechen darf, beherrscht fast andächtige Stille das Schiff. Er strahlt übers ganze Gesicht und mit ihm seine AnhängerInnen. Es gehe ihm nicht um die Macht, behauptet er, sondern darum, „etwas für meine Heimatstadt zu tun“. Man klatscht immer wieder dazwischen, aber nur kurz, man könnte sonst eines der Worte des Großen Vorsitzenden verpassen.
Die Partei hat ihre Wahlparty aus Sicherheitsgründen auf das Schiff verlegt, weil dieses nur über einen Steg ereichbar ist. 600 Plätze bietet der Dampfer Lousiana, und die sind alle belegt. Die durchschnittlichen Schill-Fans sind Mitte 40 und in Paaren zur Wahlparty gekommen, er im Anzug, sie mit Perlenkette um den Hals. Die Stimmung ist so siegesgewiss, da ist alles erlaubt. Ein alter Mann fühlt sich durch die Tasche einer jungen Pressefrau gestört. Er schubst sie rüde zur Seite und pöbelt mehrfach „hau ab“. Ein junger Wähler tröstet, sie solle nicht böse sein, „der ist hier nicht der Durchschnitt, und außerdem hat er Alzheimer“. Zum lauten Rumgröhlen ist er trotzdem in der Lage, als die nächste Hochrechnung eingeblendet wird und die Schill-Partei auf 17,7 Prozent geklettert ist.
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