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wurmbeschwörung und moorschnorchelweltmeisterschaft

von RALF SOTSCHECK

Schade eigentlich. Der Sommer ist vorbei, und die englischen Exzentriker überwintern zu Hause, fernab von der Öffentlichkeit. Nirgendwo in Europa findet man sie in solch hoher Konzentration wie in England, man begegnet ihnen auf ihren eigenen Festivals mit hohem Unterhaltungswert.

Neulich marschierten zwei Witwen, zehn junge Mädchen in weißen Kleidern und ein Geiger durch St. Ives in Cornwall zum örtlichen Friedhof und tanzten um das Grab von Jonathan Knill, einem ehemaligen Zollbeamten, der 1811 gestorben ist. Es ist ein besonderes Grab, denn Knill ließ zu Lebzeiten einen knapp 20 Meter hohen Obelisken als Grabstein errichten. Und er hinterließ Geld, damit man sich seiner gebührend erinnert.

Die fröhliche Trauertanztruppe, die sich alle fünf Jahre an seinem Grab einfindet, tut das nicht kostenlos. Die Witwen und der Geiger erhalten für ihre Gedenkarbeit ein Pfund, die Mädel zehn Schillinge. Doch damit nicht genug: Aus Knills Nachlass werden im Fünfjahresrhythmus zehn Pfund abgezweigt, damit der Dorfpfarrer, der Bürgermeister und der Zollbeamte samt Familien sich ein Festmahl genehmigen können. Heutzutage reicht das höchstens für eine Großpackung Kartoffelchips. Mit den fünf Pfund, die Knill für den schnellsten Stricker von Fischnetzen und den besten Einsalzer von Sardellen ausgesetzt hat, kommen die Gewinner auch nicht weit.

In Kent veranstalten sie seit 1864 jedes Jahr ein Cricketmatch, was an und für sich schon ein exzentrisches Spiel ist. Doch obendrein bekommt der Sieger die Hörner eines Schafbocks, die während des Spiels langsam geröstet werden. Aus Rücksicht auf den Rest des Tieres werden die Hörner inzwischen vor dem Rösten vom Schafbock entfernt. Ebenfalls in Kent, und zwar in Whitstable, laufen an einem bestimmten Tag im Sommer hunderte von Menschen ans Meer, wo sie einem Priester dabei zuschauen, wie er das Wasser segnet. Nein, er verwandelt es nicht in Wodka oder Rum, er segnet es lediglich. Die Zeremonie sei sehr beliebt, behauptet das Fremdenverkehrsamt.

Aber das ist längst nicht alles. In Yorkshire begehen sie das Stachelbeerfest, auf dem der Besitzer der größten Frucht einen Preis gewinnt; in derselben Grafschaft gibt es einen Wettlauf mit Kohlesäcken auf dem Rücken; in Lancaster benutzen sie stattdessen für das Wettrennen eine Sänfte; in Cumbria werden die nationalen Meisterschaften im Grimassenschneiden ausgetragen; und in Cheshire veranstalten sie in Ermangelung von Schlangen ein Weltfestival im Wurmbeschwören.

Diese englischen Vorlieben erscheinen freilich stinknormal, wenn man sie mit einem Festival im walisischen Llanwrtyd Wells vergleicht. Dort fanden Ende vorigen Monats die Moorschnorchelweltmeisterschaften statt: 40 erwachsene Menschen, ausgerüstet mit Taucherbrille und Schnorchel, robbten so schnell wie möglich durch einen 20 Meter langen Moorwassergraben.

Mögen Britanniens Exzentriker im Winter neue Skurrilitäten aushecken, die sie flugs zur Tradition erklären und im Sommer öffentlich darbieten.

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