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Langes Warten auf Freilassung

Fünf junge Globalisierungskritiker aus Berlin, Leipzig und Schwelm sind seit über zwei Monaten in Italien inhaftiert. Am Ende der Woche wird es eine neue Haftprüfung geben. Grüner Landtagsabgeordneter hält die Vorwürfe für konstruiert

„Die Begründung, bei einer Entlassung drohe Fluchtgefahr, ist einfach schlicht abenteuerlich.“

Das Drama der fünf deutschen Globalisierungskritiker, die sich mehr als zwei Monate nach den Protesten von Genua noch immer in italienischer Untersuchungshaft oder im Hausarrest befinden, geht in die nächste Runde. Am Ende dieser Woche soll ein dreiköpfiges Richtergremium bei einer erneuten Haftprüfung entscheiden, ob die Haftbefehle für die 18- bis 21-jährigen jungen Männer aus Berlin, Leipzig und Schwelm aufgehoben werden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem „Waffenbesitz, schwere Sachbeschädigung“ sowie Mitgliedschaft im sogenannten „Black Block“ vor. Im Fall einer Verurteilung drohen den fünf jungen Männern Höchstrafen von acht bis fünfzehn Jahren Haft.

Viktor A. aus Berlin und der 18-jährige Abiturient Björn W. aus Schwelm waren zwei Tage nach den Protesten auf der Straße festgenommen worden. Auf der Polizeiwache wurden die beiden, wie auch andere Festgenommene misshandelt. Dabei sollen Polizisten ihnen u.a. den Stempel einer geplünderten Bank und eine Eisenstange untergeschoben haben. Beide Gegenstände dienen jetzt als Hauptindizien für den Vorwurf der „Beteiligung an Plünderungen“.

Auch der 20-jährige Michael K. sowie der gleichaltrige Michael David K. und der 18-jährige Peter K. aus Leipzig wurden erst Tage nach den Protesten festgenommen. Ihnen wird seitdem der Besitz von „gefährlichen Waffen“ in Form einer Campingausrüstung, darunter Zeltstangen und Küchenmesser, zur Last gelegt.

Während sich Björn W. seit Anfang September in Genua im Hausarrest befindet, werden die vier anderen Inhaftierten weiterhin in einer Neun-Personen-Zelle im berüchtigten Männergefängnis Marassi festgehalten. Nach Angaben der inzwischen aus der Haft freigelassenen Deutschen kam es dort in den ersten Tagen zu massiven körperlichen Übergriffen und Schikanen durch Schließer. Seitdem sind zwei der noch Inhaftierten in einem „schlechten psychischen Zustand“, berichten deren Freunde.

Nach Besuchen mehrerer Europa- und Bundestagsabgeordneter „haben sich die Haftbedingungen normalisiert,“ sagte gestern der Bündnisgrüne-Landtagsabgeordnete Hartmut Berger nach einem Besuch in Genua. Seit den Anschlägen in den USA haben sich allerdings die Besuchsbedingungen wieder verschärft: Zugelassen werden nur noch Familienangehörige, Freunde und Freundinnen erhalten keine Besucherlaubnis. „Immer wieder verschwinden auch Briefe und der Inhalt von Paketen wird teils willkürlich zurückgehalten,“ berichten Unterstützer.

Hartmut Berger geht trotz aller pessimistischen Prognosen von einer Entlassung der letzten Inhaftierten aus. „Die Vorwürfe sind konstruiert,“ so der Landtagsabgeordente Hartmut Berger. „Die Begründung, bei einer Entlassung drohe Flucht- oder Wiederholungsgefahr, ist schlicht abenteuerlich.“

HEIKE KLEFFNER

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