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Hamburger Regierung wird Männersache

CDU, FDP und Schill-Partei verhandeln über den neuen Senat harmonisch ohne Frauen. Laut Umfrage kann sich jeder vierte Deutsche vorstellen, Richter Schill zu wählen. Bei den grünen Verlierern Konflikte um Programm und Personen

HAMBURG taz ■ Die Pflöcke für den politischen Rechtsruck in Hamburg sind eingeschlagen. Am kommenden Montag werden sich CDU, FDP und Schill-Partei zu ihren ersten Verhandlungen treffen. CDU-Bürgermeister-Kandidat Ole von Beust spricht zwar noch von „Sondierungsgesprächen“, aber es ist völlig klar, dass es dann schon um die Inhalte einer künftigen Regierungskoalition gehen wird.

Offiziell nimmt das Dreierbündnis noch Rücksicht auf FDP-Chef Rudolf Lange. Die Freidemokraten halten erst am 8. Oktober ihren Landesparteitag ab, auf dem Lange sich seinen fast bedingungslosen Pro-Schill-Kurs absegnen lassen will. Zudem wird spekuliert, dass die FDP die Unterzeichnung eines Koalitionsvertrags mit Schill und der CDU noch bis nach der Berlin-Wahl am 23. Oktober hinauszögern will, um den liberalen Parteifreunden in der Hauptstadt nicht das Liebäugeln mit der Berliner SPD zu erschweren.

Schill kommt die Verzögerung auch zupass. So hat er mehr Zeit, mit seiner 25-köpfigen Anfängerfraktion das Einmaleins der Politik zu üben. „Richter Gnadenlos“ Schill ist von seiner Wahlkampfforderung nach Aufstockung des Sicherheitsapparats auf mindestens 10.000 Polizisten bereits abgerückt. „Politik ist die Kunst des Kompromisses“, so Schill, „wenn wir etwa 1.700 neue Polizisten fordern und die CDU 450, wird man sich irgendwo bei 800 einigen können.“

Rückenwind für seine Pläne, seine „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ auch bundesweit antreten zu lassen, erhielt Schill gestern durch eine Umfrage des Forsa-Instituts. Danach könnte sich jeder vierte Deutsche vorstellen, bei einer Bundestagswahl die Schill-Partei zu wählen.

Ab Montag wird eine traute Sechs-Männer-Runde erst einmal die programmatischen Schwerpunkte des neuen Hamburger Senats festlegen. Neben Beust und CDU-Landeschef Dirk Fischer sitzen für die FDP Lange und der Bundestagsabgeordnete Rainer Funke sowie Ronald Schill und dessen starker Mann Mario Mettbach am Tisch. Auch der neue Senat dürfte nahezu frauenfrei werden. Die einzige Kandidatin, die derzeit gehandelt wird, ist die CDU-Bundestagsabgeordnete Birgit Schnieber-Jastram. Dem abgewählten rot-grünen Senat gehörten je sechs Frauen und Männer an.

Auf einer Mitgliederversammlung der Grün-Alternativen Liste (GAL) am Dienstagabend deuteten sich künftige Konfliktlinien in der neuen Oppositionspartei an. Zwar trügen die Schuld am Wahldebakel nicht Einzelne, auch nicht die noch amtierende zweite Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin Krista Sager, versicherten mehrere RednerInnen. Die „personelle Kontinuität in der Führung“ wurde gleichwohl in Frage gestellt, ohne allerdings Namen zu nennen. Den ersten Fehdehandschuh warf die linke Fraktionschefin Antje Möller. Ihre Ankündigung, in der von 21 auf 11 Mandate geschrumpften GAL-Fraktion erneut den Vorsitz übernehmen zu wollen, ist als Kampfansage an die Reala Krista Sager zu verstehen. Die hatte den herben Absturz der GAL von 13,9 auf 8,5 Prozent mit „Marketingproblemen“ erklärt: „Es reicht nicht, gut zu arbeiten, wenn man seine Erfolge nicht rüberbringen kann“, behauptete Sager unter nur spärlichem Applaus.

Der Streit über den künftigen Kurs der Hamburger Grünen geht mitten durch das dominierende Realo-Lager. Parteichef und Sager-Intimus Kurt Edler wurde für seine Forderung nach härteren Bandagen in der Kriminalitätsbekämpfung öffentlich abgewatscht. „Ich habe selten so einen Unsinn gehört“, erregte sich der noch amtierende Stadtentwicklungssenator und langjährige Chefdenker der Realos, Willfried Maier, der als Sager-Vertrauter galt. Damit scheint es nun vorbei zu sein.

PETER AHRENS

SVEN-MICHAEL VEIT

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