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Unterschlagene Beweismittel

Aus Abhörprotokollen des BKA ergibt sich im Berliner RZ-Prozess ein neues Bild zur Vorgeschichte des Verfahrens. Es überführt nicht nur den Angeklagten der Falschaussage. Anwältinnen fordern deshalb eine Aussetzung des Verfahrens

Drei Wochen lang belog der wegen Rädelsführerschaft in den Revolutionären Zellen verdächtigte Tarek Mousli im November 1999 sogar seinen eigenen Anwalt Frank Assner. Erst am 14. Dezember gestand er ihm, bei der Bundesanwaltschaft (BAW) als Kronzeuge längst umfassende Aussagen zu machen.

Dies ist nicht das einzige brisante Detail, das die Anwältinnen Silke Studzinsky und Andrea Würdinger gestern im Berliner RZ-Prozess in einem Antrag zur Aussetzung des Verfahrens vortrugen. Seit Montag stehen ihnen 23 Leitz-Ordner und 955 Tonbänder mit Protokollen der Telefonüberwachung von Tarek Mousli in der Zeit vor seiner Verhaftung zur Verfügung. Bisher konnten sie nur stichprobenhaft hineinhören, eine komplette Auswertung würde mindestens 18 Wochen in Anspruch nehmen. Das Bundeskriminalamt (BKA) stufte die Unterlagen als unerheblich für das Verfahren ein. Die beiden Anwältinnen sehen darin eher eine Beweismittelunterschlagung.

Auf den Bändern befindet sich etwa ein stundenlanges Telefongespräch zwischen BKA-Beamten und Mousli aus dem Herbst 1999, in dem diese ihm schon Wochen vor seiner Verhaftung einen Kronzeugenstatus anbieten. Sowohl Mousli als auch der BKA-Chefermittler Klaus Schulzke hatten ausgesagt, darüber sei erst nach Mouslis zweiter Verhaftung im November 1999 geredet worden.

Die Anwältinnen enthüllten zudem ein weiteres Detail aus der Telefonüberwachung: Der sich ansonsten gern als Traum aller Schwiegermütter darstellende Mousli bestellte sich im Herbst 1998 eine Prostituierte in sein Sportstudio Snoops.

Richterin Gisela Hennig vertagte daraufhin das Verfahren auf kommenden Donnerstag, um bis dahin über mehrere Anträge der Verteidigung auf Aussetzung des Verfahrens zu entscheiden. CHRISTOPH VILLINGER

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