: Abwicklung in Raten
Die Freie Universität Berlin übergeht eine neue Entscheidung des Akademischen Senats und halbiert noch einmal ihre Projekttutorien. Die Studenten wollen nun eine rechtliche Prüfung durch Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler
Der Streit über die Zukunft der Projekttutorien an der Freien Universität (FU) spitzt sich zu. Nachdem der Akademische Senat sich in der vergangenen Woche mehrheitlich für eine Fortführung des Projektutorien-Programms in vollem Umfang ausgesprochen hatte, setzte sich das Präsidium der Universität inzwischen über diese Entscheidung hinweg. In einer schriftlichen Mitteilung an die „Koordinationsstelle der Projektutorien“ teilte FU-Präsident Peter Gaehtgens den Betroffenen mit, das Programm werde um die Hälfte von 20 auf 10 reduziert. Auch die „Koordinationsstelle“, deren Medien- und Lobbyarbeit zugunsten des bedrohten Programms offenbar zu Unmut in Präsidiumskreisen der FU geführt hatte, soll aufgelöst werden. Zur Begründung machte die Universitätsleitung bislang die Notwendigkeit von Einsparungen geltend, die sich im Fall der gestrichenen Projekttutorien auf rund 200.000 Mark belaufen.
Das Programm an der FU, das 1989 als Ergebnis des Studentenstreiks eingeführt wurde, um „selbstbestimmte Lerninhalte“ zu vermitteln, und zu Hoch-Zeiten über 100 Tutorien umfasste, gilt bundesweit als einmaliges Modell- und Vorzeigeprojekt. Auch die Tatsache, dass ein Votum des mit Vertretern der Professorenschaft, Dozenten, Angestellten und Studierenden besetzten Akademischen Senats von der Universitätsleitung ignoriert wurde, stößt auf Unverständnis. Dementsprechend harsch fällt die Kritik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus. Deren stellvertretende Vorsitzende Rose-Marie Seggelke erklärte, die Haltung der FU-Leitung sei „nicht nur politisch instinktlos, sondern zeugt auch von einem merkwürdigen Demokratieverständnis“. Offenbar gehe es dem FU-Präsidium weniger um Einsparungen als vielmehr um „eine offene Machtprobe mit den demokratisch gewählten Gremien der FU“.
Die studentischen Mitglieder des Akademischen Senats und des FU-Betriebsrates erwägen nun, Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler um eine rechtliche Prüfung des Präsidiumsbeschlusses zu bitten. Geklärt werden soll, ob die Unileitung sich ohne weiteres über eine Entscheidung des Akademischen Senats hinwegsetzen darf. „Aufgeben wollen wir noch nicht“, sagt Anette Mörler, Mitglied in der Projektutoriums-Kommission. „Allerdings ist zu befürchten, dass dem gesamten Programm demnächst das Aus droht.“ Mörler glaubt, dass die monatelange Ungewissheit für die Studenten, die Projektutorien vorbereiten und anbieten wollen, sich nachhaltig auf die Bereitschaft der Studierenden auswirken wird, Eigeninitiative zu zeigen. „Die jetzigen Einsparungen bedeuten eigentlich schon einen Tod auf Raten.“ HEIKE KLEFFNER
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