Hamburg nicht im Stich lassen

Nach der Abwahl: SPD-Parteitag verspricht Wiederauferstehung mit Ortwin Runde und Olaf Scholz  ■ Von Peter Ahrens und Sven-Michael Veit

Die Hamburger Sozialdemokratie 2001 ist nicht die Partei, in der die Mitglieder nach der Abwahl in der Öffentlichkeit übereinander herfallen. Der Spitzenkandidat und Noch-Bürgermeister wurde auf dem gestrigen Parteitag in Wilhelmsburg mit Ovationen gefeiert, die Oppositionsrolle angenommen, als sei sie etwas ganz normales, als fühle man sich dabei sogar noch wohl. Und trotzdem kann wohl nur ein SPD-Bürgermeister, der gerade aus dem Amt gewählt wurde und jetzt Opposition machen muss, sagen: „Unsere Verantwortung für diese Stadt ist noch einmal gewachsen.“ Irgendwie fühlt sich die SPD immer noch fürs Wohl und Wehe dieser Stadt zuständig.

Und die SPD entdeckt sensationellerweise die Selbstkritik für sich. „Wir müssen diskutieren über Filz“, fordert Parteichef Olaf Scholz – und darf damit die Ehre für sich beanspruchen, als erster Hamburger Sozialdemokrat dieses Wort ausgesprochen zu haben, ohne sich die Zunge zu brechen. „Mehr Wettbewerb“, mahnt der Parteichef, „ist die Antwort auf Filz. Niemand wird die SPD in dieser Frage an Modernität übertreffen.“ Auch bei der Inneren Sicherheit habe die SPD Fehler gemacht, räumt Scholz ein. Er fürchte, „nicht unsere Wahlplakate haben den Leuten nicht gefallen, sondern unsere Politik“. Deshalb müsse die SPD beim Thema Innere Sicherheit „die Balance zwischen Härte und Liberalität auch in der Opposition“ finden.

Zudem müsse die Hamburger SPD in den nächsten vier Jahren auf drei weiteren Feldern neue Antworten finden, steckt Scholz bereits den künftigen Kurs ab. Bildung, Familien- und Jugendpolitik und die Neudefinierung „des öffentlichen Raums“ seien die Themen der Zukunft. Die SPD müsse beantworten, „wie die Menschen in dieser Stadt mit ihren Kindern an jeder Stelle gerne leben möchten, über Wege, über Parks, über Reinlichkeit, über Spritzen auf Spielplätzen und Hunde in der Sandkiste“. Denn nach diesem „bitteren Wahlergebnis“, das will Scholz erkannt haben, „müssen wir dran sein an den Themen, die die Menschen bewegen“.

Nach dieser Flurbereinigung durch den Parteichef kann Runde seine Bewerbungsrede um den Job als künftiger Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft halten. „Erstmals seit 44 Jahren wird Hamburg eine richtige und starke Opposition haben“, sagt Runde und hört sich so an, als freue er sich gar drauf. 300.000 Wähler habe man im Rü-cken und Regierungserfahrung auch noch, „genau das macht uns stark“. Mit der Kritik an der Springer-Presse hält Runde sich zurück. Er sagt nur: „Einige Zeitungen sind mir im letzten halben Jahr richtig ans Herz gewachsen.“

Der Bürgermeister spricht davon, dass „wir uns Luft machen müssen, den Blick frei werden lassen für die Zukunft“, und er spricht so, als sei die Opposition eine therapeutische Sitzung, an deren Ende man gereinigt wieder an das gehen könne, wovon die SPD doch am meisten zu verstehen glaubt. Runde schließt: „Wir kommen wieder, wir werden unser Hamburg nicht im Stich lassen“, Olaf Scholz sagt schlicht: „Das rechte Bündnis wird abgewählt.“

Sozialdemokraten hätten kein SPD-Parteibuch, wenn sie das nicht als selbstverständlich annähmen.